Übers linkhändig stricken habe ich schon 2018 geschrieben. Man ist das lange her! Und weil ich mich seitdem entwickelt habe und ein update immer mal gut ist, folgt heute also eine Art zweiter Teil.

Damals hatte ich nach einigen Fehlversuchen erkannt, dass meine Methode zu stricken nicht ganz problemfrei ist. Und damit meine ich nicht das linkshändige Stricken an sich. Das bringt ja auch schon genug Schwierigkeiten mit sich. Nein, hinzu kam, dass ich auch noch combined und nicht western strickte. Genauer erklärt habe ich diese Begriffe bereits 2018 in meinem Beitrag, hier nur kurz: combined, western oder eastern uncrossed bezeichnen die Art, wie die Maschen gestrickt werden um am Ende das gleiche Maschenbild (rechte und linke Maschen) zu erhalten. Da gibt es nämlich nicht nur eine Art.

Maschen stricken mit links

Damals war ich auch der Meinung, dass ich hautsächlich bei der combined Strickmethode bleiben würde. Außer eben in Runden und bei kraus rechten Stücken, da diese Technik dort nicht funktioniert. Im Lauf der Jahre habe ich mir dann aber tatsächlich doch die western Methode angewöhnt. Das passierte automatisch nach und nach. Der Wechsel von combinded in Reihen und western in Runden war mir dann doch zu blöd. Es war aber wirklich ein längerer Prozess, weil ich die Art linke Maschen zu stricken komplett neu lernen musste. Und jede:r weiß wie langsam man ist, wenn man etwas neu lernt.

Auch erwähnt habe ich damals den Fakt, dass die Fadenhaltung unterschiedlich sein kann. Es gibt continental und english. Menschen, die contintal stricken, halten den Faden mit der Hand, die nicht arbeitet, bei Linkshänder:innen also die rechte. English strickt man, wenn man den Faden mit der Arbeitshand hält, in meinem Fall also mit der linken. Auch das hat Einfluss auf die Art, wie man die Maschen abheben und stricken muss.

Für Linkshänder:innen gibt es zu wenig Grundwissen-Literatur, aber Hoffnung

Jetzt ist es vor allem ein Problem als Linkshänder:in überhaupt mit dem Stricken zu beginnen. Vermutlich 99% aller Lehrenden sind Rechtshänder:innen. Ich habe in der Schule auch von einer Rechtshänderin gelernt und die Methoden einfach genau nachgemacht. Ich habe ihr gegenüber gesessen und wenn sie ihre rechte Hand nahm, nahm ich meine linke. Vielleicht führte dies zu meiner combined, continental Strickweise. Ich weiß es nicht. Aber immerhin konnte ich grundlegend rechts-links Reihen stricken. Das finetuning kam dann eben erst später. Leider gibt es für Linkhänder:innen kaum Anleitungen für Grundtechniken.

Bücher

Oft genug werden wir Linkshänder:innen nicht einmal erwähnt in den ach so gepriesenen Grundlagenbüchern. Das finde ich das eigentlich traurige. Strickbücher extra nur für Linkhänder:innen gibt es meines Wissens keine. Eine Marktlücke. Im (sonst wirklich tollen) Buch „Vogue Knitting“ finden sich zwei Doppelseiten für Strickmethoden wie linkshändig stricken und die continental/english Fadenhaltung. Vier Seiten von über 300! Und eben auf englisch. So toll das Buch ist, es taug nichts für jemanden, der/die linkhändig stricken lernen will.

Im deutschsprachigen Raum gibt es einen Lichtblick. Das Buch „Stricken basics“ von Stephanie van der Linden enthält einen Linkhänderkurs! Und zwar im Buch sowie auf CD. Im Buch wird linkhändiges Stricken immer wieder erwähnt und sich bemüht, auf die Besonderheiten einzugehen. Zwar lässt das Bildmaterial für die Grundlagen dann doch zu Wünschen übrig (ein kleines Bild für Linkshänder:innen und eine Ablaufbildreihe für Rechtshänder:innen), aber die CD ist unschlagbar. Denn dort gibt es den Video-Grundlagenkurs für Linkshänder:innen extra. Nicht nebenbei und mitgemeint. Sondern ganz und gar von einer continantal linkhändig Strickenden für Linkshänder:innen, die stricken lernen wollen. Anschlag, rechte und linke Maschen, Zunahmen, Abnahmen, Abketten, Zöpfe stricken … alles, was Anfänder:innen brauchen wird dort gezeigt. Und damit ist es für mich das beste (und einzige) mir bekannte taugliche Buch für Linkshänder:innen.

Webseiten und Videos

Weitere Videoanleitungen finden sich natürlich auch im Netz. Im deutschsprachigen Raum hat Elizzza einige Linkhänder-Tutorials auf Youtube gestellt. Dort gibt es auch weitere deutschsprachige Videos, die habe ich nicht alle durchgeklickt. Ich denke aber, da findet sich ein bisschen was brauchbares. Im englischsprachigen Raum gibt es viele Blogs und Webseiten extra zum Thema linkhändig stricken. So gibt es bei Jeni Brown eine Anleitung für Lefties und Karen Lynn hat einen ganzen Blog namens „The lefthanded Knitter“. Auf Youtube finden sich unter anderem die tollen, aber eben englischsprachigen, Videos von NobleKnit und Bill Souza zum linkhändigen Stricken. Grad für diese Grundlagen sind Videos echt super. Für mich waren sie eh Offenbahrungen, weil ich vorher noch nie (!) ein Video gesehen habe, in dem ich mich und meine Technik wiedererkannt habe. Man darf wirklich nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, etwas 1:1 abgucken zu können statt erstmal ums Eck zu denken. Denn natürlich kann ich mir auch Videos von Rechtshänder:innen anschauen und versuchen umzudenken, aber es ist einfach nicht das gleiche. Und damit komme ich zu folgendem:

Dann sollen sie doch mit rechts stricken!

Was mir immer wieder sauer aufgestoßen ist, sind Versprechen bei der Internetsuche a la „Linkshädig stricken lernen“ und dann werden dort entweder rein rechtshändische Techniken gezeigt oder aber erst ewig lang erklärt, das stricken Spaß machen soll, Linkhänder:innen nicht von Rechtshänder:innen lernen können und dass man doch einfach rechts stricken soll, sei ja nicht schwer. (Excuse me?!)

Das macht mich wirklich wütend. Denn Linkhänder:in sein ist ja kein Defizit oder etwas, was man einfach irgnorieren kann. Würde heut noch jemand sagen: „Ach mit links schreiben, da verschmiert ja alles. Lern lieber mit rechts schreiben.“ Nein. Warum? Weil es keine larifari Auswahl ist ob links oder rechts, sondern eine grundlegende Art zu sein, zu denken und motorisch zu funktionieren. Hat von euch jemand schon mal versucht mit der für sie/ihn „falschen“ Hand etwas zu tun? War das angenehm? Ich zum Beispiel bekomme Schmerzen im Kopf wenn ich versuche einen rechtshändigen Dosenöffner zu bedienen. Es kostet mich viel Anstrengung. Es geht, aber schön ist es nicht. Mir also vorzustellen, rechts stricken zu müssen … ich würde lieber gar nicht stricken.

Deswegen ärgere ich mich sehr über solche Artikel. Anstatt dafür zu sorgen, dass alle Freude an diesem tollen Hobby haben können wird es einigen madig gemacht und gesagt: Umdenken der Anleitungen ist viel zu kompliziert, strick „einfach“ mit rechts. Dabei ist das Umdenken nicht schwer.

Linkshändig ist einfach, wenn man weiß wie’s geht.

Nehmen wir an, ihr strickt linkshändig western. Dann müsst ihr lediglich die Angaben vertauschen. Alles was „rechts“ ist in der Anleitung ist euer „links“ und umgekehrt. Was der/dem rechtshändig Strickenden die rechte Ab- oder Zunahme ist, ist eure linke. Konkret heißt das:

• rechtsgeneigte Abnahme: zwei Maschen wie zum rechts stricken abheben, dann mit der rechten Nadel in beide Maschen einstechen und abstricken (englisch: SSK)
• linksgeneigte Abnahme: zwei Maschen rechts zusammenstricken (englisch: K2tog)
• rechtsgeneigte Zunahme aus dem Quersteg: mit der rechten Nadel von vorne in den Quersteg einstechen, ihn auf die rechte Nadel legen und verschränkt abstricken
• linksgeneigte Zunahme aus dem Quersteg: mit der rechten Nadel von hinten in den Quersteg einstechen, ihn auf die rechte Nadel legen und rechts abstricken

Wichtig ist immer im Kopf zu haben, dass wir spiegelverkehrt stricken. Wir stricken ja von links nach rechts, während Anleitungen von rechts nach links (Strickrichtung der Rechtshänder:innen) gelesen werden. So lange das Strickstück und Muster symmetrisch ist, ist das aber total egal. Bei asymetrischen Tüchern sogar auch, weil die Asymetrie dann einfach nur spiegelverkehrt entsteht.

Bei Jacken und Pullovern sind die rechten Seiten und Ärmel eben die linken und umgekehrt. Das betrifft Muster und Knopfleisten. Letztere habe ich in meinem ersten Beitrag noch mal genauer erklärt. Anleitungen von Handschuhen beginnen meist mit dem rechten Handschuh, das ist dann unser linker. In 90% der Fälle ist das komplett egal. Bei den restlichen 10% muss man natürlich vorab etwas umdenken.

Aber mal ehrlich, wenn ihr bei diesen 10% ankommt seid ihr so fit im Stricken, dass das echt null Probleme macht. Anfänger:innen stricken meistens einfache Muster, symmetrische Formen (wer beginnt schon mit verkürzten Reihen als erstes Werk?) und vermutlich auch seltener mit richtungsweisenden Formen. An dieser Stelle ein kleiner Hinweis: rosa Pudel die auf grünen Pullis nach links gucken, werden beim linkhändig stricken nach rechts gucken, wenn ihr nichts modifiziert. Passiert natürlich auch mit Flamingos, Katzen und Opossums, egal welche Farbe. Aber so what?

Lasst euch nicht entmutigen. Aller Anfang ist schwer.

Ernsthaft. Lasst euch das Stricken nicht madig machen, weil „ist ja eh viel zu kompliziert für euch“. Das stimmt einfach nicht. Ja, es ist weniger leicht als für Rechtshänder:innen, weil gute Anleitungen und Vorbilder fehlen. Viel zu selten finden sich im Dschungel der Tutorials welche für Linkshänder:innen. Viel zu oft sind sie nettes add on.

Trotzdem ist es möglich als Linkhänder:in stricken zum Hobby zu haben und tolle Werke zu vollbringen. Ihr braucht nur Mut und den Willen, etwas neu zu lernen. Der härteste Schritt ist der Anfang. Anschlag, rechte und linke Maschen. Das ist aber für jede:n schwer unabhängig von der Händigkeit.

Tipps für Anfänger:innen

Beginnt mit den Grundlagen und arbeitet euch schrittweise vor. Strickt zuerst ein Tuch oder einen Schal. Vielleicht einen kraus rechten. Nur rechte Maschen. Oder einen einfachen rechte/linke Maschen Schal. Da habt ihr beide Maschenarten die ihr über lange Strecke üben werdet. Am Ende könnt ihr es und habt ein schönes Strickstück. Beginnt nicht mit komplizierten Mustern oder Strickschriften, die zu lesen noch mal Übung braucht. Lasst das Nadelspiel stecken und strickt zuerst mit Nadelseil in Reihen nicht in Runden, damit ihr überhaupt in den Flow kommt. Aber macht etwas, was ihr hübsch findet mit hübscher Wolle. Sonst geht die Motivation flöten.

Und dann steigert eure Fertigkeiten. Lernt eine neue Technik nach der anderen. Schreibt euch einen Zettel auf dem steht, was ihr austauschen müsst (siehe Zu- und Abnahmem mit Richtung oder Zöpfe) und auf den ihr immer wieder zugreifen könnt. Man muss sich nicht alles merken, man muss nur wissen wo es steht, wenn man es braucht. Und bei allem gilt: Am Anfang ist es kompliziert. Immer. Und langsam. Immer. Und voller Fehler. Immer. Aber nur, wenn man anfängt, kann man weiter machen und Erfolge erziehlen. Das ist so. Bei jeder neu zu lernenden Fähigkeit.

Nur Mut.