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Vegan, Vegetarisch, Ovo-/Lacto-Vegetarisch, Flexitarisch, Omnivor … das alles sind per se Definitionen für eine bestimmte Form der Ernähung. Sie sind neutral wissensbasiert gehalten und erklären jedem sachlich, was Menschen essen oder nicht essen, die sich so ernähren. Gleichzeitig werden diese Bezeichnungen als Zuweisungen verwendet und mit Emotionen, Wut und Konflikten gefüllt.
Wir alle neigen dazu, Menschen einordnen zu wollen und ihre Lebensart zu deuten. Das ist völlig normal, denn es hilft uns, unsere Umwelt besser zu verstehen. Immerhin weiß man dann, wer was ist. Aber das Zuweisen anderer in Schubladen ermöglicht uns auch, diese auszugrenzen und Distanz zu schaffen. Ich bin nicht wie die. Die sind nicht wie wir.
So einfach es ist, Menschen zuzuordnen, so viel wird dabei übersehen. Veganerin sein heißt nicht ökologisch korrekt leben oder mangelernährt zu sein. Omnivor essen bedeutet nicht Tiere leiden sehen zu wollen. Das Leben ich nicht A oder B, nicht schwarz oder weiß. Und das wissen wir eigentlich auch alle sehr gut. Trotzdem erleben wir immer wieder Zuweisungen oder bauen selbst solche auf.
Ich kann damit nicht gut leben. Auch wenn ich selbst regelmäßig darauf reinfalle, dass ich Leute in Schablonen packe. Oder ihre Lebensart für mich definiere. Dabei entsteht aber kein Nähe, sondern Distanz. Ich kann mich herrlich distanzieren von dem Typen, der ständig grillt (Ökosau). Von der „mein Schnitzel kommt vom glücklichen Tier“ Nachbarin (Illusionist. Schönredner). Vom Vegetarier (da fehlt noch die nächste Bewusstseinsstufe). Doch eigentlich füllt kaum jemand diese Schablonen komplett aus. Jedenfalls nicht, wenn sie nur halbwegs so sind wie ich.
Wenn ich gefragt werde, warum ich keine tierischen Produkte esse, dann kann ich nicht guten Gewissens sagen „Ich bin Veganerin“. Ich sage lieber: „Ich esse vegan.“ Einfach, weil ich Wolle benutze und Lederschuhe trage. Mit meiner Behauptung, Veganerin zu sein würde ich zweierlei heraufbeschwören: Das „whatabout“ einiger Nichtveganer*innen und das „Du Heucherlin“ mancher Veganer*innen. Darauf habe ich keine Lust.
Essen ist Emotion. Es bietet ein Gefühl von Schutz, Erinnerung und Liebe. Wer aus etischen Gründen kein Fleisch isst, bei dem kommt vermutlich auch noch die Emotion Verzweiflung und Ekel hinzu. Kein Wunder also, dass die Diskussion ums Essen abdriftet in Emotionen wie Wut, Frust, Hass.
Doch hilft es wirklich, die einen als „Mörder“ und die anderen als „Ökoterroristen“ zu beschimpfen? Den einen Skrupellosigkeit und Ignoranz, den anderen Inkonsequenz und den dritten Biestigkeit zu unterstellen? Ich glaube nein. Niemand ist die perfekte Umweltschützerin, weil sie vegan isst. Niemand die Super-Ökosau, weil sie omnivor isst.
Ernährung ist ein Teil des großen Ganzen und es gibt Zahlen und Daten, die ganz klar für eine Reduktion von tierischen Produkten auf unserem Speiseplan sprechen. Für unsere Gesundheit, die Umwelt und fürs Tierwohl. Darüber sollten wir sachlich sprechen. Alle. Dazu müssen wir uns aber freimachen von dem Gefühl, den (moralisch) richtigen Standpunkt zu haben. Gar nicht so leicht. Denn: Essen ist Emotion.
4 Comments
Ich finde das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann eine einheitlich verwendete Einordnung helfen – es ist sofort klar, zb im Restaurant, was gegessen wird und was nicht – aber es kommt eben auch gern zu Konflikten wenn es darum geht wer sich wie nennen darf.
Ja genau, als einordnung zb um zu wissen, was drin ist, finde ich es super. Sobald es aber ins Verurteilen von Menschen geht, finde ich es schlimm. Und manch ein Konflikt ist fast schon wieder lächerlich.
Was hilft es, wenn einer Vegetarierin von einem Veganer vorgeworfen wird, nicht besser zu sein als ein Fleischesser, weil für Milch auch Tiere leiden und sterben. Und was hilft es einer Veganerin von einer gleichgesinnten gebasht zu werden, weil sie nicht 100% dem entspricht, was man vielleicht qua definition erwarten würde. Und welcher Fleischesser verändert sein Verhalten wenn er von anderen dauerhaft beschimpft wird.
LG Janine
Oh ja, da hast Du so recht. Ich möchte immer sehr sehr tolerant sein, wenn ich dann aber sehe wie Menschen sich Fleisch reinstopfen oder Eltern ihren Kindern nur schreckliche Dinge zu essen geben bekomme ich ein richtig schlechtes Gefühl. Daran muss ich definitiv noch arbeiten. Ich mache ja schließlich auch nicht alles richtig.
Herzliche Grüße
Katrin
Hallo Katrin,
bei Dingen die Eltern mit ihren Kindern tun spielt ja oft auch noch zusätzlich das eigene Kinder haben mit rein. Da kochen noch mehr Emoitionen mit. Ich kann nicht ändern, wie andere Essen oder Erziehen, ich kann nur zu Hause ein Bewusstsein schaffen und reden, wenn ich gebeten werde zu reden. Ohne Aufforderung anderen zu erzählen, dass sie etwas falsch machen, ist übergriffig (es sei denn, es gefährdet tatsächlich das Kindeswohl). Oft sind es ja einfach nur Handlungen und Lebensweisen, die jeder selbst gelernt hat und dann unreflektiert umsetzt. Ich glaube ja, es braucht besser Aufklärung von Anfang an und ein System, dass weniger Fleischkonsum fördert. Das wäre ein langfristiger Wandel. Wenn wir uns gegenseitig anmotzen und verurteilen für das was wir tun oder nicht tun, verhärten sich nur die Fronten.
LG Janine