Eine Welt ohne Social Media erscheint überhaupt nicht mehr möglich. Irgendwie ist jeder irgendwo dabei. Facebook, Snapchat, Twitter, Instagram und wie sie alle heißen. Ob Alt, ob Jung, alle sind wir dabei. Aber was macht das mit uns? Ich habe mich selbst beobachtet und ein wenig darüber nachgedacht. Was dabei heraus kam, erzähle ich euch hier. Es lässt sich zum Großteil natürlich auch so oder so ähnlich auf andere dieser Medien übertragen, groß unterscheiden tun sie sich da alle nicht.
Wir wissen, Instagram ist nicht die Wirklichkeit. Da sind die Filter, der Bildausschnitt und das, was nicht gesagt wird. Es fehlt oft echter Inhalt und außer „sehen und gesehen“ werden auf Ottonormalverbraucher Niveau ist da oft nichts dahinter. Es ist eben keine Informationsplattform sondern eine zur Selbstdarstellung.
Das finde ich per se nicht mal schlimm. Wir alle mögen gerne gesehen werden und die ganzen Herzchen und Follower sind gut fürs Selbstwertgefühl oder Ego. Warum ich das denke? Weil sie negativ fürs Ego sind, wenn sie ausbleiben.
Was nämlich passiert mit uns, wenn wir keine oder weniger Herzchen bekommen? Was geht uns unserem Kopf vor, wenn wir Follower verlieren oder unser Konto einfach nicht kontinuierlich wächst?
Da können wir uns auch noch so oft einreden, dass das ja nun nicht wichtig sei. Ganz tief drinnen macht das was mit uns. Und das ist ungesund. Nicht umsonst belegte bei der Studie #StatusOfMind der Royal Society for Public Health Instagram den letzten Platz.
Zwei dort angeführte negative Aspekte haben bei mir was zum klingeln gebracht: die Angst was zu verpassen (FoMO) und Depression. Ich habe zwar keine Depressionen aber ich erlebe durchaus auch den Moment, in dem mein Leben im Vergleich mit mir unbekannten Menschen im Netz ungenügend erscheint. Und das wiederum könnte in einer Abwärtsspirale durchaus ein ernstzunehmendes Problem werden.
Vergleichen ist eine sehr menschliche Angewohnheit. Wir vergleichen ständig Dinge miteinander um einen „Normalzustand“ ausloten zu können. In allen Bereichen klopfen wir ab, was richtig und was falsch ist. Komplett subjektiv natürlich.
Wenn also 3520 Frauen ein hygge-scandic-look Zuhause haben und ich in einem zusammengewürfelten Haufen Möbel mit mehr Chaos als hygge lebe; wenn 16245 Familien jedes Wochenende unterwegs sind, wir aber ständig auf der Couch versacken; wenn jeder 2. Beitrag ein Foodporn Beitrag mit fantastischen Fotos ist und ich zum hundertsten mal Spaghetti auf den Tisch gestellt habe … dann beginne ich, auszuloten. Und je nach Tagesform fällt die Abwägung für mich gut oder schlecht aus.
Wieder nix großartiges mit den Kindern gemacht? Immer noch nicht die Zimmer ausgemistet? Wieso sieht mein Essen nie so gut aus? Oder anders: Warum gibts bei uns immer so langweiliges Zeug zu essen? Wieso lese ich zu wenig, gehe zu wenig in Kino/Theater/auf Verantaltungen? Habe zu wenige „me time“ oder Paarzeit? Warum reisen wir nicht öfter oder machen spannende Dinge? ALLE ANDEREN tun das doch?!
Und manchmal beginnen wir, unser Leben durch die Instagrambrille zu sehen. Jeder Aspekt des Alltags wird überprüft: Passt das auf ein quadratisches Foto? Steht das gut? Wenn ich jetzt das Essen fotografiere, wo ist das Licht am besten? Wie bekomme ich dieses und jenes gut wirkend vor die Linse?
Kein Zufall, nur noch posen? Schnell Sachen umstellen für den besseren Ausschnitt? Es beginnt ein Sog, der uns in dieses Netzwerk zieht und an dem wir viel Freiheit und Sorglosigkeit verlieren. Weil wir nicht mehr vor uns hin leben, sondern immer Instagram mitdenken. Dazu kommt die Angst, etwas zu verpassen.
Was passiert eigentlich, wenn ich offline bin? Was posten die anderen? Gibt es eine neue Info? Neue Inputs? Neue Ideen? Trendet grad irgendwas und ich bekomme nichts mit? Welche Challenge sollte ich mitmachen? Dazu all die „Tips um auf Instagram erfolgreich zu sein“.
Ständig fällt der Blick auf die App. Ständig wird geguckt, was es neues gibt. Nach dem Aufwachen. In der Bahn zur Arbeit. In der Pause. Auf dem Heimweg. Wenn die Kinder grad nix wollen. Vorm Schlafen gehen. Mitten in einer anderen Handlung – nur mal eben schnell gucken …
Es ist wie eine Sucht. Nein, es ist eine Sucht. Die Mischung aus Langeweile vertreiben und nichts verpassen wollen treibt immer wieder ins Internet und zieht uns aus der Realität. Aus dem wirklich da sein im Moment.
Das kommt drauf an. Wenn es beginnt, dich runter zu ziehen, es dir etwas nimmt (Gelassenheit, Freiheit, Ruhe, Zeit für anderes), wenn du merkst, dass etwas nicht richtig läuft, dann ja. Dann ist es sicher gut, zumindest zeitweilig die Apps und Programme zu schließen. Oder die Reißleine zu ziehen und ganz weg zu gehen.
Allerdings gibt es ja auch Dinge, die wir an diesen Netzwerken mögen. Es ist eine schöne Ablenkung. Teile der Filterblase sind tatsächlich wertvoll. Es ist ein Weg zu Kommunizieren. Endlich ein Ort, wo Bilder geteilt werden können. … Was also tun? So ganz „weg vom Fenster“ (siehe FoMO) will man dann doch nicht sein.
Wenn wir solche Züge wie oben genannt an uns wahrnehmen, dann ist es wirklich Zeit, die digitale Notbremse zu ziehen. Schluss, aus, ungesund!
Nicht umsonst trendet #digitaldetox (>92.500 Beiträge) auch auf Instagram. Ein paar Tage oder Wochen ohne die heißgeliebten Social Media Platformen und man kommt zu wirklich guten Erkentnissen. Und wenn man nicht gänzlich auf Instagram, Facebook und Co verzichten will, dann erscheint eine regelmäßige Entzugskur durchaus sinnvoll. Ob vor Ostern (Stichwort: 40 Tage ohne), in den Ferien oder über Feiertage, längere und kürzere Pausen tun gut.
Auch ein medienfreier Tag pro Woche ist sinnvoll. Ich habe mir für 2019 vorgenommen, den Sonntag zum instagramfreien Tag zu machen. Denn Instagram, das ist mein Suchtmedium. Und ich habe einige der oben genannten Dinge an mir selbst erlebt. Kein gutes Zeichen.
Mir soll dieser Tag helfen, von dem Automatismus los zu kommen, immer wieder zum Handy zu greifen. Stattdessen möchte ich andere Dinge tun, die tatsächlich oft aufgrund von Zeit auf Instagram verplämpern liegen bleiben:
Ich mache diese Dinge natürlich auch jetzt schon mit Instagram Nutzung. Aber deutlich weniger. Eine Pause hilft mir, an einem Tag der Woche nicht aufs Handy zu schauen. Nicht abgelenkt zu werden. Das macht den Kopf frei für anderes und erhöht die Aufmerksamkeit für die Menschen um mich herum.
Wie geht es euch mit den sozialen Netzwerken? Kommt ihr auch immer wieder an den Punkt, an dem ihr euch eine Auszeit nehmen wollt? Seid ihr überhaupt nicht anfällig für sowas oder schon komplett im Sog gefangen? Und wie geht ihr damit um?
credits für Titelzeichnung: Lisa Schneider