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Frauen und Mittelalter – uhuhhu. Das kann ja was werden. Da gucken wir von heute drauf, raufen uns die Haare und haben sehr interessante Bilder und Geschichten im Kopf. Keine Rechte. Nix zu melden. Dem Manne untertan, verdonnert zum Kinder kriegen. Und wer „Braveheart“ geguckt hat denkt vielleicht noch an die Geschichte vom „Recht der ersten Nacht“. Gruselig. Aber hilft ja alles nix, ihr habt euch auf Instagram gewünscht, dass ich als erstes die Frauen im Mittelalter angucke bevor ich über mittelalterliche Flatearther rede. So sei es.
Ja, viel Spielraum gab es nicht. Ürigens sowohl für Frauen als für Männer. Biste was, haste was gilt hier. Heißt: Bist du adelig, hast du Möglichkeiten. Bist du Bauer/Bäuerin, hast du nix. Das beruht aber nicht primär auf der Ungleichheit von Mann und Frau, sondern erst mal auf der Ständegesellschaft. Die war hierarchisch und bot nur sehr kleinen Spielraum. Hinzu kommt natürlich dann die Ungleichheit zwischen Mann und Frau. Trotzdem finden sich im Mittelalter einige Frauen, die mehr vorzuweisen haben als Kinder, Küche, Herd. Wobei auch das relevant ist. Wer zusändig ist für alles auf dem Hof, der hat auch eine gewisse Macht.
Frauen im Kloster
Ab ins Kloster mit ihr! Rief’s und ward die nervige Frau oder überflüssigen weiblichen Nachkommen, los. Klingt sehr plausibel, und wir kennen solche Geschichten ja zu genüge. Nur passt das nicht. Weil Klöster per se nämlich nicht Abstellplätze für nutzlose Frauen waren, sondern Orte der Macht. Zumindest sehr lange Zeit. Die Ottonen zum Beispiel (10. Jahrhundert) setzten ihre Nachkommen und Verwandten an strategische Plätze. Entweder durch Heirat oder Sitz im Kloster.
Da hätten wir beispielsweise die Äbtissin Mathilde, die schon mit 11 Jahren in Quedlingburg das Stift leitet und verwaltet. Sie ist die Tochter von Kaiser Otto I und Kaiserin Adelheit, um die es weiter unten geht. Und Quedlinburg ist nicht irgendein Kloster am Arsch der Welt, sondern wichtigstes Zentrum ottonischer Macht. Für Otto II (Bruder) und Otto III (Neffe) wird sie zu einer wichtigen Beraterin. Viele Frauenstifte und -klöster haben im Mittelalter einen großen Machtraum über den die jeweiligen Vorsteherinnen herrschen.
Natürlich waren Ämter wie die einer Äbtissin hochadeligen Frauen vorbehalten. Klöster und Stifte dienten lange Zeit als Machtzentren. Aber auch als Schulen für junge adelige Mädchen. In der Stiftschule Gandersheim zum Beispiel (wir sind immer noch bei den Ottonen) wurden die „Sieben Freien Künste“ gelehrt. Den Mädchen und Frauen. Was weiter bedeutet: Hier lernte Frau lesen und schreiben. Und das war lange Zeit weder allen Männern noch allen Frauen möglich. Viele Stifte hatten außerdem Schreiberwerkstätten in denen Schriften entstanden. Allein Roswitha (Hrotsvit) von Gandersheim hinterließ historische Schriften über das Leben Otto I., sowie christliche Legenden, Dramen und die Gründungsgeschichte des Stiftes.
Frauen an der Spitze
Bleiben wir noch ein bisschen bei den Ottonen, beziehungsweise bei einer mächtigen Frau schlechthin: Adelheit von Burgund, Königin von Italien. Schon in ihrer ersten Ehe wird sie als „Teilhaberin der Macht“ betitelt, dann, als junge Witwe widersetzt sie sich einer Zwangsheirat mit Berengar. Der hat vmtl ihren Mann vergiftet und steckt sie nach ihrer Weigerung in den Kerker.
Bald wird sie Eherfrau von Otto I. und schließlich auch noch zur Mitkaiserin gekrönt. Von Papst Johannes XII. Also richtig offiziell. Das ist neu. Und sie bestimmt wirklich mit, das bezeugen Urkunden. Außerdem ist sie sehr gebildet, spricht verschiedene Sprachen. Und nicht nur das, die Erziehung ihres Sohnes (Otto II.) prägte sie ebenfalls, stand ihm dann als Beraterin zur Seite und reiste mit ihm durchs Land. Kleiner Exkurs: Zu der Zeit gab es keinen zentralen Herrschaftsitz, man spricht hier von einem Reisekönigtum/Reisekaisertum. Denn die Herrscher mussten durch ihr Reich reisen, mit dem ganzen Hof.
Adelheit bekommt dann Konkurrenz von einer anderen starken Frau. Die Frau von Otto II., Adelheits Schwiegertochter also, Theophanu aus Byzanz übernimmt nämlich die Macht an der Seite ihres Mannes, was zu Konflikten führt. Aber als Otto II. stirbt übernehmen Ehefrau und Schwiegermutter gemeinsam die Macht um sie für ihren Sohn/Enkel Otto III. zu sichern. Mit Erfolg.
Jetzt muss man natürlich zum Thema Ehe im Mittelalter sagen, dass die wenig romantisch waren. Liebeshochzeiten wurden erst später Trend. Eine Ehe unter Herrscherhäusern diente vor allem der Macht. Und das traf Mann und Frau. Auch wenn die Frau dabei öfter das Nachsehen hatte, was die Entscheidung anging. Aber Machtausbau durch eheliche Verbindung und Thronerben war ein wirklich wichtiges Ding. Das stand nicht zur Diskussion.
Frauen und die Arbeit
Kleiner Sprung jetzt und weg vom Kloster und dem 10. Jahrhundert und hinein ins Arbeitsleben. Wer als Frau einen Tuchmacher heiratet wird: Tuchmacherin. Nix mit nur auf Kinder aufpassen. Wer nicht reich ist, muss mit anpacken. Überall. Auf dem Hof genau so wie im Gewerbe. Strichwort Arbeitsteilung. Und starb der Ehemann, war es durchaus möglich, das Gewerbe weiter zu führen.
In der mittelalterlichen Stadt Köln hatten Frauen auch in Gilden und Zünften einen Platz, allerdings nicht in allen. Es gab spezielle Frauenzünfte, in denen sie bis ins 17. Jahrhundert aufgenommen wurden. Allerdings nur als Mitglied, nicht leitend. Denn Leitung, das war außerhalb von Klöstern und Stiften nicht für Frauen vorgesehen. Auch nicht in den Räten der Städte. Im Zuge der Stadtentwicklung kommen dann trotzdem mehr Freiheiten für Frauen. Sie können Bürgerrechte bekommen und als Bürgerinnen auch selbstständig arbeiten.
Im Rheinland tut dies im 14. Jahrhundert die Jüdin Reynette von Koblenz, die als Geldverleiherin mit und ohne Mann Adeligen, Stadtgemeinden und Reichsfürsten finanziell aushilft. Und sie war da kein kleiner Fisch, sondern führende Darlehensgeberin. Und sie bleibt auch nach erneuter Heirat treibende Kraft im Geschäft. Ihr Mann benennt sich teilweise sogar nach ihr.
Das Nichtstun, ausser vielleicht Personal verwalten, das ist dann erst ein Ding der modernen bürgerlichen Ehe. Hier wollte Mann keine Frau, die mit anpackt, sondern ein zartes Wesen an seiner Seite. Weil er selbst nicht mehr hart arbeiten musste. Jeder aber, der einen Hof zu bewirtschaften oder ein Handwerk auszuüben hatte, der brauchte eine mit anpackende Frau.
Frauenrechte. Männerrechte. Warum diese Begriffe nur bedingt hilfreich sind
War also alles tuffig für Frauen im Mittelalter? Nein. Denn es gab klare Ungleichheit – von Vormundschaft bis Rechtsstellung. Aber so wie es keine generellen Frauenrechte im Mittelalter gab, gab es auch keine generellen Männerrechte. Ein Bauer hatte weniger Rechte als eine Königin. Aber mehr als seine Frau. Nur ist das nicht umbedingt ein Problem – für die Beteiligten. Denn alles war ungleich. Für unseren Blick ist es aber eher schon eines. Und genau hier liegt die Krux.
Gucken wir auf Vergangenes zurück, dann immer mit unserem Blick und unserer Wertung aus der aktuellen Zeit inklusive unserem Blickpunkt. In meinem Fall: Als Frau. Und klar sage ich da: Im Mittelalter, aber auch in der frühen Neuzeit war es nicht weit her mit Emazipation und den Frauenrechten. Nur was hilft uns das? Ich kann ja auch nicht sagen, das Mittelalter war schlimm, weil es gab keine Glühbirne. Wir können also nur auf verschiedene Formen der Beteiligung und Rechte schauen und sie möglichst nicht von heute aus werten.
Spielräume im Zeichen der Ungleichheit
Und ja, da zeigt sich ein Gefälle in sofern, dass grundlegend die Männer das Sagen hatten. Als König. Als Papst. Als Kleriker. Als Ehemann. Aber eben nicht allumfänglich und nicht in allen Bereichen. Und: Es gab Ausnahmen und Abweichungen. Es gab Spielräume und Handlungsfelder. Bei der Aufgabenverteilung bestimmte die Frau über das wirtschaften auf dem Hof. Im Frauenstift/Kloster bestimmte die Äbtissin und hatte Macht auch jenseits von Ehe und Familiengründung. Im Handwerk gab es Orte für Frauen. Und unter bestimmten Umständen (Tod, Abwesenheit des Mannes) übernahm die Frau seinen Part – und sei es nur bis der männliche Nachkomme alt genug war.
Ein dunkles Bild über Fauern im Mittelalter zu zeichnen ist leicht, aber nicht korrekt. Wir wissen von vielen Dingen wegen Überlieferungslücken einfach nichts. Und können an Überliefertem erkennen, es gab sie wohl, die mächtigen Frauen. Kaiserin und Mitregentin, schriftkundige Nonne, Cheffin des eigenen Gewerbes. Man kann es nur schlicht nicht mit heute vergleichen.
Wenn ihr mehr lesen wollt empfehle ich euch folgende Seiten für den schnellen Einblick:
Über Kaiserin Adelheit
PS: Das Bild zeigt übrigens die Kirche Sainte-Jeanne-d’Arc in Rouen. Sie steht an dem Ort, wo Jeanne d’Arc 1431 verbrannt wurde. Auch das gab es im Mittelalter. Frauen mit Visionen und göttlichem Auftrag. Jeanne ist inzwischen rehabilitiert und heilig gesprochen und Nationalheldin Frankreichs.
1 Comment
Mag dein # allesGeschichte wirklich gern lesen. Danke