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Weihnachten im Schnee. Wer wünscht sich das nicht? Ein Traum. Eine Idealvorstellung. So soll es sein. So wie früher. Dabei ist die Realität eine ganz andere. Je nach deutschem Wohnort liegt die Chance auf weiße Weihnachten bei alle 3-10 Jahre. Wer jetzt sagt: „Ja, der Klimawandel!“, der denkt zu kurz. Ja, Schnee fällt immer seltener. Allerdings bezieht sich das auf den ganzen Winter. Es geht ja explizit um Weihnachten. Und statistisch gesehen ist Weihnachten (also 24.-26.12.) grau und grün. Diese Tatsache hat sich laut Deutschem Wetterdienst auch über die Jahre nicht signifikant geändert. Das sogenannte „Weihnachtstauwetter“, also dieses scheußliche Warmwetter, dass alle Hoffnung zunichte macht, ist tatsächlich das wahrscheinlichste Wetter über die Feiertage.
Was hat Schnee an Weihnachten jetzt aber bitte mit Geschichte zu tun?
Nun, alles ist Geschichte. Ok, das ist zu platt. Aber doch wahr.
Denn warum singen wir Lieder wie „I’m dreaming of a white Christmas, just like the ones I used to know“? Warum herrscht in der Werbung ab Dezember schneebedeckte Idylle mit weihnachtlicher Dekoration? Warum träumen wir von Weihnachtsmärkten mit Schneefall, obwohl wir jedes Jahr aufs neue eine ganz andere Erfahrung machen? Hand hoch, wer öfter bei 7 Grad Nieselregen Glühwein getrunken hat als bei leise rieselndem Schnee!
Es geht um Erinnerungen. In der Neueren Geschichte beschäftigt sich die Zeitgeschichte mit unserer Erinnerung. Unsere, das meint sowohl private Erinnerungen an Ereignisse als auch die kollektive Erinnerung und das kulturelle Gedächtnis. Da geht es dann um die Einbettung geschichtlicher Ereignisse in der Erinnerungskultur von zum Beispiel Gruppen oder Ländern.
Am Beispiel „weiße Weihnachten“ kann man im ganz kleinen sehen, wie Ereignisse und bestimmte Verbindungen unsere Erinnerung und unsere Erwartung heute prägen.
Dann mal los. Wieso verbinden wir Weihnachten mit Schnee, wenn es doch eigentlich selten vorkommt?
Gute Frage. Ein Grund sind die Erinnerungen an früher.
In den 1960ern wurde eine ungewöhnlich hohe Anzahl an weißen Weihnachten verzeichnet. Daran erinnern sich viele Ältere und geben diese Erinnerung weiter. Aber Erinnerung ist halt so eine Sache und nicht gleichzusetzen mit Wetterdaten. Wenn also Oma und Opa sagen, früher war alles besser … äh weißer, dann stimmt das nur bedingt und für eine kurze Zeit. Außerdem typisch und ein Grund für die Verbindung von Weihnachten und Schnee ist die Vermischung von Zeit. Man erinnert sich an Schnee im Winter und natürlich an Weihnachten und vergisst, dass das eine am 24.12 war und das andere im Februar. Oder man vermischt ganze Jahre miteinander zu einem „Früher lag Schnee an Weihnachten“.
Und da seht ihr die Krux an der Erinnerung. Denn menschliches erinnern basiert eben nicht auf objektiven Daten sondern verformt und vermischt sich. Das ganze wird ungenau. Und so entstehen Aussagen wie „früher gab es mehr weiße Weihnachten“. Hinzu kommen von außen forcierte Prägungen. Dafür gehen wir noch einen Schritt in die Vergangenheit und gucken mal ins 19. Jahrhundert.
Wie im 19. Jahrhundert weiße Weihnachten auf (Post-)Karten entstand.
Unser aller Omas und Opas sind nämlich nicht der alleinige Grund, warum wir quasi kollektiv weiße Weihnachten als Ideal sehen. Unser Bild von weißen Weihnachten scheint tatsächlich auf das 19. Jahrhundert zurück zu gehen. (Ich persönlich finde ja, dieses 19. Jahrhundert hat ganz schön viel geprägt!) Die Schweizer Klima-Forscherin Martine Rebetez fand heraus, dass auf Weihnachtskarten aus London in den 1840ern noch herbstliche Motive zu finden waren. Da lag kein Schnee auf den Dächern über die Santa Claus lief. Das wäre schließlich für London auch untypisch. Dies änderte sich ein paar Jahrzehnte später. Im Zuge des beginnenden Tourismus fuhren britische Adelige und später Angehörige des Bürgertums in die Schweizer Berge. Der sich entwickelnde Wintertourismus im 19. Jahrhundert brachte dann etwas ins Rollen. Schnee und Kälte wurde von Touristen nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen sondern als Sinnbild einer Idylle. Als der Tourismus so richtig los ging in den winterlichen Bergen, schickte man Postkarten mit winterlichen Motiven in die graue, nasse Heimat.
Auch im 19. Jahrhundert schrieb Charles Dickens seine „Christmas Carol“ die in einem verschneiten Setting spielt. Auch er erinnerte sich, so wie unsere Omas und Opas, an kalte, verschneite Winter im London seiner Kindheit und baute sie in seine Weihnachtsgeschichte ein. In dieser Zeit entwickelten sich zudem viele Bräuche rund um Weihnachten. Kein Wunder, dass es nicht lange dauerte, bis sich auf britischen Grußkarten immer mehr Weihnachtsmotive in den Schnee verirrten.
Da auch in den bayrischen Alpen der Wintertourismus im 19. Jahrhundert startete kam es dort scheinbar ebenso zu der Kombination von einer alpinen Schneeidylle, Winter und dann Weihnachten. Denn auch in Deutschland begannen viele Traditionen rund um Weihnachten, die wir heute kennen zu dieser Zeit oder wurden ins Volk getragen.
Von damals bis heute – Wir lieben Idylle
Das ganze hat also eine lange Tradition. Die – vor allem für Städter des 19. Jahrhunderts – idyllischen Motive von verschneiten Landschaften. Das Aufkommen und die Verbreitung von Weihnachtsbräuchen in der selben Zeit. Sie findet sich in Postkartenmotiven, in der Werbung, in Filmen und Liedern und in unserer zusammengesetzten Erinnerungen. Es sitzt so tief in unserer Vorstellung, dass sich sogar auf australischen Postkarten Schnee findet. Dabei ist dort im Dezember Hochsommer.
Ich gebe zu, dieses Wissen hilft nicht viel beim täglichen auf weiße Weihnachten hoffen. Schließlich steckt es so in uns drin, dass Schnee das ideale Weihnachtswetter ist. Aber vielleicht hilft es doch. Denn so können wir der Sehnsucht das Wissen entgegen halten, dass Weihnachten in unseren Breiten eher nass grau ist. Und der Schnee vermutlich im Januar kommt.
Übrigens spricht der Deutsche Wetterdienst per Definition von „weißen Weihnachen“, wenn an allen drei Weihnachtstagen (24.-26.12.) an einer Wetterstation jeweils mindestens ein Zentimeter Schnee gemessen wird.
Quellen:
Und wenn ihr mehr zur Geschichte der Postkarten lesen möchtet, dann schaut doch hier vorbei.
Stiftung Historische Museen Hamburg