Rothenburg ob der Tauber. Noch so ein Touristenort oder doch einen Besuch wert?
Nürnberg. Die alte Stadt an der Pegnitz. Eine Bilderreise
Wie ihr vielleicht wisst, leben wir seit 2017 zu fünft ohne ein eigenes Auto. Auch zwischen 2005 und 2012 hatten wir – damals noch zu viert – kein eigenes Auto. Überhaupt kann ich die Zeit, in der ich eines besaß an ein paar Fingern abzählen. Wie wir leben und was der Verzicht auf ein eigenes Auto für uns als Familie bedeutet habe ich 2019 bereits beschrieben. Damals habe ich eure Fragen von Instagram aufgenommen und von unserem Alltag und seinen Besonderheiten erzählt. Und vom Reisen ohne Auto habe ich im Artikel Südfinnland bereisen ohne Flugzeug und Auto geschrieben. Denn zwei mal schon sind wir ohne Auto aus München nach Südfinnland gereist. Mit Kindern. Einmal sogar schwanger. Und es war immer toll.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie schafft man das, ohne Auto leben? Wie fängt man da an?
In vielen Gesprächen hat sich gezeigt, dass ein Leben ohne Auto für viele eine interessante Idee ist, die aber schwer ins eigene Leben passt. Gleichzeitig sagen viele, dass sie weniger Auto fahren wollen. Dass sie eigentlich ihr Zweitauto abschaffen sollten. Allein, der Schritt dahin fällt so schwer. Denn die wenigsten machen auf kalten Entzug und verkaufen von heut auf morgen ihr Auto. (Was nicht heißt, dass es nicht geht!)
Man hängt ein wenig zwischen den Stühlen und verfängt sich schnelle im Gedanken von „ganz oder gar nicht“. Also: Auto weg oder gescheitert. Dabei gibt es einige Schritte die man gehen kann, ohne gleich das Auto abzumelden. Ich gebe euch heute ein paar Gedanken mit auf dem Weg in der Hoffnung, dass sie euch weiterhelfen.
1. Selbstreflexion ist das A und O. Auch beim Thema Mobilität.
Durchschnittlich stehen in Deutschland Autos 23 Std. am Tag still. Dennoch hat im Schnitt jeder Haushalt mehr als ein Auto. Tendenz steigend. Wir sind es gewohnt, die Lösung unserer Mobilität im Auto zu sehen. Und Gewohnheiten zu durchbrechen ist extrem schwer. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. In der Zeit, in der wir ein Auto hatten, habe ich viele unnötige Strecken damit zurück gelegt. Strecken, die ich mit dem Fahrrad oder zu Fuß genau so hätte zurücklegen können. Weil das Wetter irgendwie schlecht war, weil ich Zeitmangel hatte oder weil ich faul bzw. bequem war. Letzteres ist vermutlich der häufigste Grund gewesen.
Wie ist mein Status Quo?
Wenn man also die Gewohnheit das Auto zu wählen durchbrechen will, muss man unweigerlich seine Nutzung reflektieren. Wohin fahre ich? Wie viele Kilometer sind das? Wie oft fahre ich dahin? Und wie oft steht das Auto? Warum wähle ich das Auto statt anderer Optionen (Rad, Fuß, ÖPNV)? Habe ich andere Optionen? Was hindert mich an einer anderen Entscheidung?
Was will ich verändern?
Und dann kann man sich fragen, was genau man denn ändern will. Soll das Zweitauto weg? Will man weniger Kilometer fahren? Öfter das Rad nutzen? Ist das Ziel den eigenen Schweinehund zu überwinden um Kurzstrecken zu vermeiden? Die Frage, warum man etwas ändern will sollte man sich auch stellen. Geht es ums Finanzielle? Oder ist es ein ökologischer Ansatz?
Was brauche ich dafür?
Und ganz zum Schluss: Was brauche ich eigentlich, damit ich diese Veränderung durchführen kann? Die Gefahr besteht, allgemein zu bleiben und „ein besseres ÖPNV Angebot“ zu antworten. Aber das ist ja nur in Teilen die ganze Antwort. Denn die Mehrheit der Menschen mit Auto leben nicht in der Pampa ohne ÖPNV oder fahren täglich 50km zur Arbeit.
Antworten können auch sein: Ein besseres Fahrrad. Eine Transportlösung für den Einkauf. Einen Backup Plan für den Notfall. Eine Umstrukturierung meines Alltags. Wichtig ist, nicht stehen zu bleiben bei Antworten, die Lösungen von anderen erwartet. Sondern zu schauen, wo die eigenen Möglichkeiten liegen. Dass besserer ÖPNV – vor allem und ganz dringend – auf dem Land nötig ist, ist unbestritten. Das Busse auf vielen Strecken leer fahren, weil mensch lieber das Auto nimmt aber auch.
2. Keine Angst vor Herausforderungen. Neues ist immer kompliziert.
Oft bekomme ich gesagt, andere Verkehrsmittel zu nutzen ist ganz schön kompliziert. Man kann nicht einfach los. Muss planen. Bei Fernreisen schon weit im Voraus, wegen der Kosten. Es müssen Verbindungen und ein Plan B bei Ausfällen rausgesucht werden. Die Bahn oder der Bus stehen nicht vor der Tür und man muss sich auch noch Gedanken ums Gepäck machen.
Das ist alles richtig. Aber am Ende ist es am kompliziertesten, wenn man beginnt. Wenn man Pläne und Verbindungen raussuchen muss. Wenn man noch nicht weiß, wo man gucken muss und ob das alles klappt.
Sobald man sich auskennt, wird es leichter. Und dann geht auch die Planung in den Alltag über. Wer Auto fährt ist ja auch nicht gestresst davon, dass er tanken muss und zum Reifenwechsel. Das geht in das Leben über. Gehört dazu. Und genau so passiert das auch mit anderen Fortbewegungsmitteln. Man plant Zeit anders und weiß, wie lang man für eine Strecke braucht. Man beginnt diese Zeit dann für anderes zu nutzen (lesen, arbeiten, träumen, …). Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an neues gewöhnt, wenn man erst mal die erste Zeit geschafft hat.
3. Wenn die Gewohnheit zurück kommt. Die Motivation beibehalten durch Ziele oder Aktionen.
Das schwierigste bleibt aber, dass man in der Regel das Auto noch vor der Tür stehen hat. Wer beginnt auf das Auto zu verzichten und es nicht verkauft, der muss sich seinem inneren Schweinehund regelmäßig stellen. Gewohnheiten sind hartnäckig. Und auch die größte Motivation sinkt irgendwann. Es ist ja nicht so, dass ich jeden morgen aufwache und mich auf S-Bahn Chaos und Busse im Stundentakt freue während es draussen bei 8 Grad regnet. Ich habe nur einfach keine Wahl. Hätte ich eine, ich wüsste genau, was ich tun würde. Da bin ich ehrlich.
Was hilft – sowohl zu beginn als auch langfristig – sind Ziele und die ein oder andere Aktion. Mit Aktion meine ich zum Beispiel die Teilnahme am Stadtradeln bei der man sogar seinen Autoschlüssel offiziell abgeben kann für 21 Tage. Oder der Zusammenschluss mit anderen. Sich gemeinsam motivieren weniger Auto zu fahren. Indem man um die Wette Kilometer einspart. Oder gemeinsam alternative Mobilitätsformen ausprobiert.
Kilometer einsparen ist auch eine Idee für ein Ziel. Den Kilometerverbrauch anschauen und sich vornehmen Monat für Monat weniger Kilometer zu verbrauchen und dabei immer zu reflektieren, was geholfen oder verhindert hat, das Ziel zu erreichen.
4. Es hilft, Mobilität anders zu denken.
Bei all dem ist es unvermeidlich sich mit dem Thema Mobilität auseinander zu setzen und neu zu denken. Wie kann und will ich mobil sein. Wo muss ich dringend mobil sein und was ist nur Verschwendung von Zeit und Ressourcen um der Gewohnheit oder einem ominösen Freiheitsgefühl wegen. Mobilität neu denken heißt auch, dem Auto einen Platz zu geben. Aber einen anderen als heute. Shared Mobility ist ein Strichwort. Leihen statt besitzen. Mehrere Mobilitätsformen miteinander zu verknüpfen und auch Zeit neu zu denken.
Ich kann kein Auto besitzen aber mir im Urlaubsort eines leihen um Strecken ohne ÖPNV zu überbrücken. Ich kann mit der Bahn in die nächste Stadt fahren und dort ein Leihrad nutzen. Ein Carsharing im Ort kann mir helfen, größere Güter zu transportieren. Selbst das eigene Auto kann mich zum nächsten Park&Ride Parkplatz bringen und dabei einen Großteil der Kilometerverbrauchs einsparen.
5. Es gibt mehr als „Alles oder Nichts“.
Und das gilt eigentlich für alles im Leben. Sich mit der eigenen Mobilität auseinander zu setzen heißt nicht, das Auto sofort zu verkaufen und nur noch mit dem Rad zu fahren. Es heißt auch nicht, sich kasteien und 3 Stunden mit den Öffis zur Arbeit zu pendeln statt 30 Min mit dem Auto.
Es bedeutet erstmal nur ehrliche Reflexion. Wege zu suchen und offen zu sein. Zeit anders zu nutzen. Und Forderungen zu stellen.
Wenn die ehrliche Antwort lautet: „Ich würde gerne Bus fahren, aber es fährt in meinem Ort nur 3 mal am Tag einer.“ dann muss daraus eine politische Forderung wachsen. Dann heißt es sich organisieren mit z.B. dem VCD oder ADFC und Druck machen auf die Kommunalpolitik und alle Ebenen darüber. Bei der Bürgersprechstunde oder den Bürgerinformationsabenden die Bürgermeister*innen konfrontieren. Den Landkreis über gewählte Politiker*innen so lange nerven, bis sich Besserung einstellt. Und diese dann nutzen.
Zwischen Auto weg und Nichts verändern gibt es so viele Möglichkeiten. Wir müssen uns das nur immer wieder bewusst machen. Und dran bleiben. Ich glaube, der erste Schritt ist schon getan, wenn uns bewusst wird, wie sehr unser Leben auf ein Leben mit eigenem Auto ausgelegt ist. Und wenn wir ehrlich und mutig (ja Mut gehört dazu) reflektieren, was wir selbst verändern können.
Kleine Bemerkung am Ende
Es gibt Menschen, die sind auf das Auto wirklich angewiesen. Weil sie aus physischen oder psychischen Gründen nur diese Mobilitätsform wählen können. Diesen Menschen spreche ich nicht ab, angewiesen zu sein. Es gibt außerdem Menschen, die so ab vom Schuss leben, dass sie wirklich nur das Auto zur Arbeit oder zum Supermarkt bringt. Für diese Menschen müssen wir alle die Forderung einer Mobilitätsgarantie stellen. Es kann einfach nicht weiter hingenommen werden, dass das halt so ist.
Die Mehrheit von uns gehört aber nicht zu diesen Menschen. 77,5 % der Einwohner*innen Deutschlands lebten 2020 in Städten und Kleinstädten. Und wir können uns auch nicht im Schatten derjenigen, die wirklich nichts verändern können, ausruhen. Sondern müssen uns hinterfragen, wie unsere individuelle Mobilität aussieht und aussehen soll. Ich sage nicht, jede*r müsse ihr/sein Auto verkaufen. Aber ich sage, jede*r kann genau hinschauen, was anders ginge und ich bin überzeugt, es geht viel mehr, als man im ersten Moment glaubt.