
Same shit like 1999. Ich trage Mitschuld an der Welt wie sie ist

Nachhaltigkeit im Alltag mit Familie und Partner*in ist kein Strandspaziergang und kann trotzdem gelingen

Redet ihr eigentlich über Menstruation? Über die Beschwerden, die Dauer, das Gefühl und vor allem: Über die Hilfsmittel, die ihr dafür benötigt?
In letzter Zeit häufen sich die Kommentare von Frauen zu diesem Thema, und das ist toll. Denn meiner Meinung nach haben wir zu lange nicht ordentlich über das Thema Menstruation gesprochen. Hinnehmen, schweigen, aushalten. Auch, dass Hygieneartikel mit einem Steuersatz von 19% bedacht werden, wurde lange einfach so akzeptiert.
Die Nutzung von Binden und Tampons geht aber nicht nur ins Geld, sondern sorgt auch für richtig viel Müll. Umgerechnet benötigt jede Frau durchschnittlich 17.000 Tampons oder Binden während ihres Lebens. Das variiert je nach Frau, Blutungsstärke/ -dauer und Fruchtbarkeitsjahre.
Was steckt drin in Tampon und Binde?
Ein Tampon besteht aus Viskose und ist oft mit einem Kunststoffvlies ummantelt. Dazu kommt das Rückholband aus Polyester. Das fertige Produkt wird einzeln in Folie verpackt und dann in größerer Stückzahl in einem Karton ausgeliefert. Tampons mit Applikator (Einführhilfe) produzieren zusätzlich pro Tampon ein weiteres Stück Müll. I
Binden bestehen aus Kunststoff, die verschiedene Zwecke erfüllen sollen, zum Beispiel sogenannte Superabsorber, welche das Blut/die Flüssigkeit binden. Dazu kommt Zellulose, Klebstoff und je nach Produkt Dutfstoffe oder durfthemmende Stoffe. Fast immer in Folie verpackt werden Binden nochmals in bestimmter Stückzahl in einem Folienbeutel zum Verkauf angeboten.
Das bedeutet für beide Produkte werden Holz, Baumwolle und Erdöl benötigt. Auch reine Baumwollbinden/Tampons sind aufgrund ihres Ressourcenverbrauchs schwierig. Zudem muss man sich immer die Frage stellen: Wurden Pestizide beim Anbau der Baumwolle verwendet? Denn diese landen direkt auf unseren Schleimhäuten.
Die Alternativen aus Biobaumwolle
Biobinden und -tampons bestehen aus 100% ungebleichter Biobaumwolle. Der Kunststoffmüll wird dadurch drastisch reduziert. Auch bieten viele Hersteller von Biobinden diese lose im Mehrfachpack an. Die Einzelverpackung entfällt in diesem Fall. Alle Folien (Klebestreifen, Ummantelung vom Tampon, Außenhülle) bestehen zumeist aus Bio-Kunsttoff und/oder Recyclingstoffen.
Doch Baumwolle ist ein Wasserschlucker, auch wenn Biobaumwolle weniger Wasser benötigt als im konventionellem Anbau. Sie wird zudem in Ländern des globalen Südens oft zu unfairen Bedingungen angebaut. Und genau wie die konventionellen Kollegen gehört auch die Biobinde, das Biotampon in den Restmüll und wird verbrannt. Es bleibt also bei der gleichen Müllmenge.
Zero Waste Alternativen für die Menstruation
Neben den Einwegprodukten gibt es zum Glück aber auch viele Mehrwegprodukte für die Menstruation auf dem Markt. Hier heißt es: sauber machen und Monat für Monat wieder verwenden. Welche es gibt, erkläre ich euch jetzt:
Stoffbinden aus Baumwolle
Stoffbinden waren für mich der erste Einstieg in die Welt der alternativen Hygieneartikel. Man kann sie nutzen wie Wegwerfbinden und sie folgen dem gleichen Prinzip wie Stoffwindeln, die ich schon von meinen Kindern kenne. Anbieter für Stoffbinden gibt es viele. Sie bieten verschiedene Arten, Größen und Systeme an. Auch Anleitungen zum selber nähen finden sich im Netz. Wichtig ist, auf Biobaumwolle zu achten.
Material: (Bio)Bauwolle, auch mit Nässeschutz aus Fleece oder PUL erhältlich
Menge: je nach Bedarf pro Menstruation, auf jeden Fall so viele wie auch sonst benötigt werden. Aus ökologischer Sicht sollten es so viele sein, dass erst am Ende der Periode alle Binden gewaschen werden müssen – außer man mag sie mit der anderen 60 Grad Wäsche zusammen waschen.
Haltbarkeit: Bis sie sich zerlegen oder völlig unansehnlich werden
Nutzung: Je nach Verariante werden Stoffbinden durch Flügel oder einer Halterung am Slip befestigt. Die Einlagen werden wie reguläre Binden genutzt und regelmäßig gewechselt. Statt sie zu entsorgen werden sie in einem kleinen Eimer gesammelt (ob mit kaltem Wasser oder ohne ist Geschmackssache) und nach Ende der Menstruation bei 60 Grad gewaschen.
Menstruationshosen
Menstruationsunterhosen oder period pants sind Unterhosen mit eingebautem saugfähigem Material, dass das Menstruationsblut aufnimmt und damit Binden zum einlegen überflüssig macht. Sie werden getragen wie normale Unterwäsche und sind sicherlich die teuerste aber auch am wenigsten aufwändige Alternative. Wer die Unterhosen mit anderer Wäsche wäscht, braucht auch nicht so viele. Außerdem kann man die Hosen auch zB für Inkontinenz verwenden
Material: Wolle und/oder Baumwolle, tlw. Membran aus Kunststoff
Menge: Laut ooshi (es gibt natürlich auch andere Anbieter!) entspricht eine Hose 2-3 Tampons. Der Rest ist reines Rechnen. Aus ökologischer Sicht sollten es so viele sein, dass erst am Ende der Menstruation alle Unterhosen gewaschen werden muss – außer man mag die Hosen mit der anderen Wäsche zusammen waschen.
Haltbarkeit: 2 Jahre bei guter Pflege
Nutzung: Unterhose anziehen. Regelmäßig wechseln (wenn feucht oder spätestens alle 10-12 Stunden). Am Ende waschen. That’s it.
Menstruationsschwamm
Menstruationsschwämme sind wohl mit die älteste Möglichkeit komfortabel durch die Menstruation zu kommen. Viele schreiben, dass man bei eingeführtem Schwämmchen Sex haben könnte. Dazu kann ich nichts sagen. Auch habe ich keine abschließende Meinung zur Frage, ob ein Schwamm mehr Pflanze oder Tier ist und ob es sinnvoll ist, Schwämme für den hier genannten Bedarf zu „ernten“. Auch die Frage, wie nachhaltig diese Ernte vonstatten geht, ist mir noch nicht ganz klar. Leider konnte ich auch zur Lebensdauer eines Menstruationsschamms nichts in Erfahrung bringen.
Material: Naturschwamm
Menge: 1 (2)
Haltbarkeit: ?
Nutzung: Der Menstruationsschwamm wird unter Wasser nass gemacht. ausgedrückt und dann in die Vagina eingeführt. Mindestens alle 8 Stunden sollte er herausgeholt werden zum reinigen. Während der ersten Tage kann es auch viel öfter sein. Bei starker Blutung können auch zwei Schwämme zugleich eingeführt werden. Zur Reinigung den Schwamm unter fließendem kaltem Wasser auswaschen, damit das Blut nicht gerinnt. Schleimreste können danach noch mit warmem Wasser entfernt werden. Nach Ende der Menstruation sollte der Schwamm ordentlich ausgewaschen werden und eine Weile (zB über Nacht) zur Keimtötung in Essigwasser liegen. Nach dem Lufttrocknen kann er dann aufbewahrt werden bis zum nächsten mal.
Menstruationstasse/ Mens-Cup
Menstruationstassen kennt vermutlich fast jede. Trotz ihres dummen Namens erfreut sie sich großer Beliebtheit und ist auf dem Markt inzwischen in jeder Drogerie erhältlich. Es gibt sie von so vielen Herstellern in unterschiedlichen Maßen und Farben, dass eine Auswahl schon fast schwierig ist. Um die richtige Größe zu ermitteln bedarf es mehr als einer Tabelle, die abfragt ob man bereits vaginal entbunden hat oder wie viel man wiegt oder wie alt man ist. Jede Frau ist anders und damit auch unterschiedlich gebaut. Um zu wissen, wie breit und lang eine Menstruationstasse sein muss, kann frau sich von der Gynäkologin „vermessen“ lassen oder den Finger einführen und dann abmessen, wie viele cm in der Länge richtig wären. Für die „breite“ gilt: Wie viel ml müssen aufgefangen werden? Also blutet man eher stark oder schwach?
Material: Medizinisches Silikon, Latex oder thermoplastischem Elastomer
Menge: 1
Haltbarkeit: 3-10 Jahre, je nach Pflege.
Nutzung: Vor der Nutzung pro Menstruation abkochen. Zum einführen falten und dann in Position setzen. Das kann ein wenig Übung erfordern, aber das war ja beim ersten Tampon auch nicht anders. Nach einigen Versuchen wird es fehlerfrei funktionieren. Regelmäßig ausleeren, mindestens alle 12 Stunden. Immer die Hände waschen vor dem einführen! Den Cup mit Wasser und Seife reinigen und erneut einführen. Tip für unterwegs: Wenn kein Wasser vorhanden, einfach auf die entleerte Tasse pinkeln und später wieder reinigen. Nach Ende der Menstruation ordentlich auwaschen und luftdurchlässig lagern.
Menstruieren mit vielen Alternativen
Ihr seht, es gibt viele Möglichkeiten beim menstruieren weniger Müll zu produzieren. Was jede Frau wählt hängt von den eigenen Vorlieben ab. Wer seinen Zyklus kennt und mit dem eigenen Körper und der Blutung kein Problem hat, der taugen Cup und Schwämmchen sicher. Wer lieber etwas Distanz zum Blut wahren will, die ist mit waschbarer oder Biobaumwollbinde gut beraten.
Ganz und gar ohne Müll wird es einfach nicht gehen, denn spätestens wenn die Lebensdauer der Alternativen vorrüber ist, müssen auch sie in den Müll. Doch die Art und die Menge der verbrauchten Ressourcen lässt sich durch sie massiv verringern und verbessern. Deswegen muss sich auch niemand schlecht fühlen, die (erstmal) lieber zu Wegwerfbinden aus Biobaumwolle greift. Schließlich spart man auch hier Ressourcen.
Wichtiger ist noch, über die Menstruation und die möglichen Alternativen zum großen Tampon- oder Bindenhersteller zu reden. Denn neben dem Umweltaspekt steht ebenso Marktmacht und Geld. Welchen Firmen möchte ich mein Geld geben? Welche Firmen arbeiten eher für MICH als für ihren PROFIT? Wie steht es um die fairness bei der Beschaffung von Ressourcen und der Herstellung des Produkts? Welche Stoffe stecken in den Produkten, die ich mir vaginal einführe? Gerade, weil wir jahrzehntelang auf Hygieneartikel angewiesen sind, ist es wichtig darüber nachzudenken und zu reden.
2 Comments
Ein ganz wichtiger Beitrag in meinen Augen. Menstruation per se ist ja schon ein Tabuthema. Und was man dabei so an Müll produzieren kann dann gleich nochmal.
Gut, dass du die Alternativen vorstellst.
Ich bin zur Zeit auf Biobaumwoll-Tampons und Binden. Den Cup hab ich probiert, das hat sich aber nicht so rund angefühlt für mich. Obwohl, das sag‘ ich schon,, man nix spürt, wenn das Ding richtig drin ist. Das hat mich schon fasziniert.
Schon irre, dass das alles immer so mit Müll machen verbunden sein muss. (Also, wenn man den Weg geht, der allgemeinhin kommuniziert wird.) Da ist es schon gut, dass sich da was tut zur Zeit.
vor allem bei den Jungen. (Die Älteren fallen ja eh bald weg … 😉
Liebe Susanne,
meine Tochter benutzt auch Baumwollbinden zum Wegwerfen. Das ist für mich ok, denn es ist ihr Körper. Ich selbst mag meinen Cup mehr als meine waschbaren Binden, weil er sehr unkompliziert ist. Mich faszinieren aber auch die Unterhosen, nur sind sie mir zu teuer. Aber vielleicht wären sie langfristig etwas für meiner Tochter. Wegen des Müllpoblems.
Es ist halt einfach wichtig, die Alternativen zu nennen und sich zu informieren. Denn der Müll ist schon aberwitzig und wenn er bei uns auch verbrannt wird (von den ewig unbelehrbaren Frauen, die ihr Zeug ins Klo werfen abgesehen), in anderen Regionen der Welt wird Frauen das Zeug als hygienisch und toll angepriesen und dann landet es im Straßengraben.
LG Janine