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Einfach nachhaltiger: Papier verwenden
Wie funktioniert Nachhaltigkeit und Zero Waste mit Kindern? Dazu gibt ja nun schon echt viele Beiträge. Auch Zero Waste mit Familie ist kein Neuland in der Bloggersphäre. Allerdings fehlt mir da immer wieder etwas.
- Die Partner. Welche Rolle haben sie? Darüber wird selten geschrieben, meistens noch dann, wenn sie nicht zustimmen.
- Wie läuft das bei älteren Kindern, wenn man den Weg von Zero Waste und Nachhaltigkeit nicht von Anfang an gegangen ist? Machen die umstandslos mit? Kann man da noch was drehen?
Bei uns lag der Fokus nicht von Anfang auf Nachhaltigkeit.
Wir waren immer mal wieder Vegetarier (unsere Älteste ist seit Schuleintritt Vegetarierin), wir hatten lange Zeit kein Auto und haben schon auch Wert auf bestimmte Dinge gelegt wie Stoffwindeln (nicht ausschließlich) oder Ökostrom. Aber es war nie ein großes Konzept oder Thema. Und je mehr Kinder und je weniger Zeit dazu kam, desto mehr rückte der Umweltgedanke doch in den Hintergrund.
Jetzt sind meine Kinder zwischen 8 und 16 Jahren alt und seit 1,5 Jahren beschäftige ich mich sehr intensiv mit Themen wie Klimaschutz, Müllvermeidung, soziale Gesellschaft und faire Produktion. Wir sind also Spätstarter mit einer gewissen grünen Grundhaltung.
Erstkontakt mit dem Thema Nachhaltigkeit
Als ich den ersten Schritt zu einem bewusst nachhaltigeren Leben gemacht habe, hatte ich also bereits einen Ehemann und drei Kinder. Klar, wir haben vorher schon ökologischer gelebt, aber all diese tollen Möglichkeiten zu Zero Waste wie Bambuszahnbürste und Brotbeutel kannte ich noch nicht. Ich war aber schnell Feuer und Flamme von all den tollen Alternativen für Wasch- und Putzmittel, Shampoo und Zahnpasta, begann mich einzulesen und war übezeugt: So ist es richtig, so machen wir das jetzt.
Die Reaktion meiner Familie? Eher verhalten. Mein Mann war in einigen Dingen sogar sehr skeptisch. Das konnte ich nicht verstehen. Wieso kritisch gegenüber Lösungen sein, wenn doch auf der Hand liegt, dass sie super perfekt sind. Ich war beleidigt. Pfft. Ich hatte keine Freudenschreie erwartet, aber wohlwollendes Mitmachen wäre doch wohl drin, oder? Stattdessen bekam ich Skepsis und entgeisterte Gesichter. Was ich in diesem Moment nicht verstand und durch viel Frust und auch etwas Wut lernen musste:
Nachhaltig leben funktioniert nur auf Augenhöhe
Nur weil ich etwas weiß oder von etwas überzeugt bin, heißt das nicht, dass alle sofort und ohne Mitreden mitgehen. Leider. Ja, so ist es. Leider. Denn manchmal, so ganz manchmal würde ich gern einfach sagen „So ist es jetzt“ und alle machen mit. Aber niemals irgendwann hat das schonmal geklappt. Wir leben zu fünft und alle haben ein Anrecht darauf glücklich zu leben und nicht fremdbestimmt zu sein. Jedenfalls nicht dauerhaft.
Über Entscheidungen meine Kinder betreffend kann ich bestimmen, zumindest ab und zu. Das ist ja auch logisch, alle Eltern bestimmen Dinge für ihre Kinder. Weil sich Entscheidungen wie „nehmen wir dafür das Auto“ oder „kaufen wir eine dritte Jacke“ nicht basisdemokratisch lösen lassen müssen. Nicht mal die gehasste „Was kochen wir heute“ Frage muss immer abgestimmt werden. Nur ist es mit Bestimmen nicht getan. Ich kann nicht jahrelang etwas tun und dann kommen und sagen: Ab sofort machen wir alles anders, weil ich das sage. Nicht, wenn ich will, dass eine Veränderung langfristig hält.
Also muss geredet werden. Und was haben wir geredet, reden wir noch. Über Tierleid, über Müll, über Recyclingwege, über CO2 und Autos, über Konsum und Überfluss, über Stromsparen und und und. Und wisst ihr was das fiese am Reden, Aufklären und Diskutieren ist?
Am Ende haben Kinder und Partner das Recht auf eine eigene Entscheidung.
BÄM! Das muss man erstmal sacken lassen. Aber es ist eben so: Nur weil man das gleiche Wissen hat, heißt das nicht, dass man zu gleichen Schlüssen kommt. Wir fangen einfach an ganz unterschiedlichen Positionen an. Ich hatte manches Wissen über Nachhaltigkeit schon früher, konnte also länger nachdenken. Ich bin gerne spontan dabei neues zu probieren, andere in meiner Familie nicht so. Dann spielt das Alter noch mit hinein und natürlich der ewige Kampf zwischen Wissen und Handeln. Denn den fechten wir alle aus.
Es ist super schwer auszuhalten, dass festes Shampoo oder Zahnputztabletten nicht von jedem und jeder genutzt werden. Dass nicht alle rufen „Vegan juchu!“ oder niemand meckert, weil wir unser Auto verkaufen. Aber es ist eben auch nicht zu erwarten, dass es anders wäre. Wir sind eine Gemeinschaft. Wir müssen unseren Weg aushandeln. Es gibt sicher Dinge, die kann man einfach verändern, zumindest wenn beide Erwachsenen mitgehen, aber das meiste ist ein immer wieder neu justieren.
Was wirklich hilft sind Kompromisse und Geduld
Spannend ist, dass tatsächlich Kompromisse und Geduld öfter zu „Erfolg“ (also dem Erreichen meines gehofften Ziels) führen kann. Als meine Älteste und ich anfingen vegan zu essen, sagte mein vegetarisch affiner Mann: „Also vegetarisch gehe ich mit, komplett vegan esse ich nicht.“ Heute meint er, ihm würden tierische Produkte überhaupt nicht mehr so fehlen. Auch die Kinder essen inzwischen vegetarisch, wollen immer seltener eine Wurst. Käse ist hier (ausser Parmesan) komplett verschwunden, Milch auch.
Genau so gut kann es aber auch einfach nicht passieren. Unser Sohn nutzt kein festes Shampoo. Da ich will, dass er duscht, bekommt er eben zertifiziertes Naturkosmetik Shampoo. Dafür nimmt er am ehesten Zahnputztabletten. Die Jüngste besteht auf Kinderzahnpasta – auch naturkosmetik. Und es daurte eine Durchlauf Bambuszahnbürsten bis mein Mann bereit war, das auch mal zu testen.
Man stellt nicht einfach um, man begibt sich auf einen nachhaltigen Weg
Es ist einfach nicht so, dass man sein Leben von heut auf morgen umkrempeln kann mit mehreren beteiligten Personen. Kinder sind enorme Gewohnheitstiere und bis da Veränderungswillen eintritt, kann es dauern. Denn vieles ist eben auch Verzicht. Nur erklär mal einer Achtjährigen was von weniger Konsum kurz vor Weihnachten. Puh.
Und auch zu erwarten, dass der Partner/die Partnerin immer und bei allem mitzieht wird enttäuschen. Je nachdem wie offen er/sie für das Thema Nachhaltigkeit ist, wird es leichter oder schwerer. Aber das ist ja immer so bei Veränderungen. Wichtig ist der gegenseitige Respekt für die Belange des anderen. Ich möchte mich ernst genommen fühlen in meinem Bestreben. Und mein Mann möchte ernst genommen werden, wenn er für sich eine Sache ausschließt.
Und es ist ja auch nicht gesagt, dass immer alle alles mitmachen müssen. Für mich war der Umstieg auf vegane Ernährung wichtig. Deswegen müssen es aber nicht alle machen. Und so ist es auch bei fast allen anderen Veränderungen. Ich sage fast, weil manches doch nur gemeinsam entschieden werden kann. Auto abschaffen? Kann man selten allein entscheiden. Konto wechseln? Wenn es ein Gemeinschaftskonto ist, muss es auch gemeinsam entschieden werden. Trotzdem kann vieles schon im Alleingang verändert werden. Der Rest passiert vielleicht mit der Zeit. Es gibt auch in Sachen Nachhaltigkeit mehr als A und B, als Schwarz und Weiß. Vielleicht wird die fleischessende Partnerin ja langsam immer mehr vegetarisch. Vielleicht lässt der autofahrende Partner auch immer öfter das Auto stehen. Und auch die Kinder ziehen vielleicht immer öfter mit.
Meine größte Lehren habe ich aus der Anfangszeit gezogen:
- Habe Geduld.
- Erwarte nicht, dass alle voll Freude mitmachen.
- Nimm es nicht persönlich.
- Rede drüber.
- Hoffe, aber fordere nicht.
- Definiere deine eigenen Grenzen und respektiere die der anderen.
Gelingt mir das immer? Nö. Aber immer besser. Und wo wir noch an Grenzen stoßen, justieren wir uns weiter aus. Ja, es ist anstrengender mit älteren Kindern einzusteigen. Aber es ist auch lohnend. Denn mit jedem Jahr wächst ihr eigenes Bewusstsein für die Sache. Und es lohnt auch, mit dem Partner/der Partnerin zu verhandeln und zu diskutieren. Eine sachliche Diskussion ist sogar Gold wert auf Beziehungsebene. Schließlich geht gerade so etwas schnell im Familienalltag unter.
2 Comments
Hallo Janine,
wir haben uns auf dem Kommunalpolitik-Seminar in München kennen gelernt – ich saß dir gegenüber!!! Sag bloß, du erinnerst dich nicht….
Ich bin ja voll der Neuling, was Blogs lesen angeht, aber ich bin sehr froh, hier reingeschaut zu haben – und das bereits das zweite Mal!
In vielen Dingen sprichst du mir aus der Seele und viele Dinge muss ich anscheinend nicht mehr selbst ausprobieren oder recherchieren.
Ganz liebe Grüße aus Holzkirchen
von Anita (nicht ganz so groß, aber auch drei Kinder und einen Mann, der nicht Veganer werden will)
Hallo Anita.
Wie schön von dir zu lesen! Das freut mich echt total.
Vielleicht sehen wir uns ja bald wieder bei einer Veranstaltung, das würde mich freuen.
Liebe Grüße
Janine