Buchrezension: Warum Meerschweinchen das Klima retten
Engagagier dich! Die neue Reihe im Februar
Das Jahr neigt sich dem Ende und somit auch diese Reihe. Zwölf mal „einfach nachhaltiger“, Zwölf Tipps zu einem einfachen Einstieg in das Thema Nachhaltigkeit. Für das letzte Mal „einfach nachhaltiger“ habe ich mir ein Thema ausgesucht, dass mich lange begleitet hat. Dem, was ich vor „Wokenguckerin“ gemacht habe: Dem Nähen. Wie man „das schönste Hobby der Welt“ sinnvoll und nachhaltig ausleben kann, darüber wollte ich schon so lange schreiben. Jetzt hat es ein Jahr gedauert und es wird wirklich Zeit.
Nähen ist ein Hobby. Soweit klar. Wer nähen kann, kann sich aber auch befreien von standardisierten Größen, Formen und Schnitten. Seine eigene Kleidung herzustellen ist eine großartige Möglichkeit, fairer und ökologischer zu handeln. Aber nur, wenn man das Nähen sinnvoll angeht. Wer einen Konsumrausch auslebt und tonnenweise Stoffe und Zubehör kauft, der ist in Sachen nachhaltigkeit genau so schlecht dran, wie die Shoppingqueens dieser Welt.
Auch beim Nähen auf die Siegel achten
Als ich anfing zu nähen ging es vor allem um Masse. Viele Meter Stoff, viel probieren. Ich produzierte unendlich viel Kleidung. Außerdem verlockten die vielen tollen Stoffdesigns gerad für Kinder zu immer neuen Käufen. Auf Stoffqualität habe ich damals überhaupt nicht geachtet, die Grabbeltische vom Holland Stoffmarkt waren höchst willkommen. Denn wer regelmäßig viele Meter Stoff kauft, kann pro Meter eben nicht viel Geld ausgeben. Weder dachte ich darüber nach, woher der Stoff kommt, noch woraus er genau bestand und wer ihn gewoben oder gefärbt hat.
Dabei kann man vor allem bei der Stoffwahl schon richtig viel gutes tun. Wie bei Kleidnung sollte man auch bei Meterware auf ökologische und faire Siegel achten. Inzwischen ist der Markt von GOTS zertifizierten Stoffen gewachsen. Damit sind ökologische und soziale Standards festgelegt, die in der herkömmlichen Herstellung eher eine untergeordnete Rolle spielen. Auch das Fair-Cotton Siegel bietet eine gute Orientierung, kommt auf Stoffen aber seltener vor. Das Label „Textiles Vertrauen – Ökotex Standard 100“ sagt nur geringfügig etwas aus über Herstellung und Nachhaltigkeit. Es bescheinigt vorrangig die Sicherheit für die Endverbraucher und tlw der Hersteller im Bereich Schadstoffe.
Ganz neu seit 2019 ist das Siegel Grüner Knopf des Bundesentwicklungsministeriums.
Das Siegel basiert auf 46 sozialen und ökologischen Kriterien. Diese sind z.B. Arbeitnehmerrechte, Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit, Gesundheitsvorschriften am Arbeitsplatz, Anforderungen in der Textilveredelung, Abwasserschutz und biologische Abbaubarkeit. Die Einführung dauert noch bis 2021 an und auch auf Kritik musste nicht lange gewartet werden. Ob sich das Siegel auch auf Meterware ausweiten wird, wird die Zeit zeigen.
Die richtige Stoffwahl ist ausschlaggebend
Neben der generellen Wahl der Stoffe spielt auch die Materialwahl eine wichtige Rolle. Denn je nach Faser verbraucht ein Meter Stoff viel oder weniger Ressourcen, ist die Herstellung unterschiedlich aufwändig und bedenklich. Naturfasern wie Hanf oder Leinen sollte man Kunstfasern aus Erdöl generell vorziehen. Ganz vorne mit dabei sind derzeit auch Lyocell und Modal, die weniger Wasser verbrauchen als Baumwolle oder Viscose. Elsastische Stoffe wie Jersey haben immer einen geringen Elastananteil, damit der Stoff elastisch ist. Fleecestoffe kann man inzwischen aus recycelten Kunstfasern oder aus Baumwollfasern kaufen. Letztere sind besonders geeignet, weil so der Kunstfaserabrieb in der Waschmaschine verhindert wird.
Wer die Wahl hat, hat die Qual: Was brauche ich für Nähzubehör?
Mit Stoff allein ist es leider nicht getan. Zum Nähen braucht es eine gewisse Grundausstattung an Hilfsmitteln und Nähzubehör. Erstens braucht man mindestens Schere, Nahtauftrenner, Maßband, Schneidematte, Nadeln und Garn. Zweitens sind je nach Schnittmuster auch Knöpfe, Reißverschlüsse, Einlage oder Gummiband notwendig. Und drittens gibt es eine Unzahl an „nice to have“ Dingen wie Reißverschlusseinfädler, Pompomborte, Aufnäher, Webbänder oder Kordeln.
Bei den meisten Materialien gibt es meines Wissens (noch) keinerlei Siegel und öffentlich zugängliche Informationen, wie sie hergestellt werden. Hier hilft oft nur die Überlegung nach Langlebigkeit und Qualität. Eine deutsche oder zumindest europäische Produktionsstätte ist in der Regel schon ein guter Schritt im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, wobei auch innerhalb Europas unterschiedliche Arbeitsrechte gelten.
Bei Nähgarnen hat man die Wahl zwischen Polyester-, Seide- und Baumwollgarn. Polyestergarn gibt es inzwischen auch aus recycletem Polyester, allerdings noch nicht in so großer Auswahl wie die Standardgarne. Aber immerhin 50 Farben (im Vergleich: das unrecyclete Polyestergarn gibt es in 200 Farben) sind derzeit bei Gütermann zu haben.
Welche Art Schnittmuster soll ich kaufen?
Stoff und Zubehör ist geklärt, jetzt kanns eigentlich losgehen, oder? Bleibt ein kleiner Exkurs ins Reich der Schnittmuster. Ob man ein Schnittmuster nun digital oder analog kauft ist relativ egal. Am Ende muss es eh auf Papier gedruckt werden, vom PC abpausen geht nicht. Wer selbst druckt, der kann sich für Recyclingpapier entscheiden und nur drucken, was gebraucht wird. Die Anleitung lässt sich nämlich auch digital lesen. Dafür kommt es häufig zu Fehldrucken wegen der Skalierung. Also immer vorher nachdenken und die Seite mit dem Kontrollquardrat drucken, bevor man 30 Seiten Schnittmuster ausdruckt.
Noch wichtiger ist, nicht hunderte von Schnitte zu kaufen. Wie viele Shirt- und Rockschnitte braucht man wirklich? Der Kauf von Schnittmustern sollte genau so gut überlegt werden, wie der Kauf von Stoffen. Was steht mir? Was brauche ich? Taugt das Schnittmuster? Letztere Frage lässt sich durch die Suche im Netz oft beantworten. Gibt es andere, die den Schnitt schon genäht haben und finden sich Bilder und Berichte?
Vom Schnittmuster zur Schnittvorlage
Da ein Schnittmuster mehrere Größen beinhaltet und man es für den Mehrfachnutzen nicht unbedingt zerschneiden will (manchmal geht es wegen Überlappung der Schnittteile auch gar nicht), muss der Schnitt abgepaust werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Architektenpapier, feste Malerfolie oder Schnittmusterfolie und Schnittmusterpapier auf Rollen. Leider finden sich über Art der Folie oder des Papiers keine Informationen. Was man auch immer für ein Material wählt, es sollte langlebig sein. Das Schnittmuster sollte nur einmalig abgepaust werden müssen. Das schon die Nerven und die Umwelt.
Alternativ kann man inzwischen Schnittmuster auch in der gewünschten Größe ausdrucken lassen. Dann bekommt man die Schnittmusterteile benutzerfertig nach Hause geliefert. So richtig überzeugt bin ich noch nicht, denn erstens kostet dieser Service natürlich Geld und zweitens kann es gut sein, dass man die falsche Größe auswählt und anschließend noch einen zweiten Druckauftrag geben muss, weil man sich vertan hat. Aber ich weiß, dass andere darauf schwören. Auf jeden Fall sollte geschaut werden, ob die Druckerei mit Ökostrom und Recyclingpapier arbeitet.
Bei allem gilt Qualität vor Quantität und erst denken, dann kaufen
Das ist wirklich wichtig. Denn wie bei allen Hobbies wird man extrem schnell verleitet, immer mehr zu konsumieren. Alles so hübsch. Alle wollen ihren Stoff verkaufen. Und ja, das klingt wie Drogen und kann es auch sein. Der Begriff „Stoffkaufsüchtig“ geistert nicht umsonst durch die Nähcommunity. Bevor man sich also ein halbes Nähstudio und 319 Nähprojekte zulegt, sollte man sich doch lieber überlegen, was man nähen möchte und auch hier die „brauch ich das wirklich“ Frage stellen. Denn ob ich jetzt 15 gekaufte oder genähte Shirts im Schrank habe: Zu viel ist zu viel.
Besser ist es also, sich einen Plan zu machen und zu überlegen, was man braucht und welches Material dafür nötig ist. Ein paar Gedanken zu Farbe, Style und Kompatibilität mit anderen Kleidungsstücken sollte sich jede Nähende einmal machen. Glaubt mir, ich bin den idiotischen Weg gegangen und empfehle ihn nicht weiter. Kostet viel. Geld und Ressourcen.
Welche Maschine(n) braucht es eigentlich zum Nähen?
Das Thema Nähmaschinen streife ich nur kurz. Es ist viel zu groß um hier Platz zu finden. Wer sich den Kauf einer Maschine überlegt und sicher ist, das Nähen länger als nur ein Jahr und für mehr als nur Kissen nähen zu betreiben, dem empfehle ich eher einen Gebrauchtkauf einer richtig guten Maschine statt den Neukauf einer günstigen. Ihr ärgert euch sonst vermutlich sehr oft. Da eine gute Maschine eine Investition für Jahre und Jahrzehnte sein kann, ist auch ein Neukauf ok.
Hier solltet ihr aber wirklich jedes in Frage kommende Modell ausgiebig testen. Lasst euch nicht bequatschen oder locken. Recherchiert im Netz nach Dingen, die wichtig sind (wie näht sie das Knopfloch, wie klappt der Elastikstich, Oberstofftransport ja oder nein, Nähfußdruck, wie muss die Unterfadenspuhle eingesetzt werden, kann man die Geschwindigkeit regeln …) Eine riesen Auswahl an Stichen ist kein Kriterium für eine gute Maschine. Achtet außerdem beim Kauf auf eine Firma und einen Händler, die ihre Maschinen noch reparieren und fragt, wo die Fertigung stattfindet.
Weitere Maschinen
Ob ihr eine Overlock oder eine Coverlock Maschine braucht, lässt sich nicht so leicht beantworten. Es hängt ab von der Überlegung, wie viel ihr näht, was ihr näht und welchen Anspruch ihr habt. Ich kenne Menschen, die wunderschöne Kleidung ohne Cover- und Overlock nähen. Andere nutzen ihren Maschinenpark ausgiebig. Wer nur unelastische Stoffe vernäht, kommt komplett ohne weitere Maschinen aus. Ich selbst möchte meine Overlock nicht mehr hergeben, konnte mich mit einer Coverlock aber überhaupt nicht anfreunden. Kauft lieber nicht aus Impuls heraus, sondern tastet euch heran. Was brauche ich wirklich? Ist das ein „nice to have“ aber eigentlich geht es auch ohne?
Jede Maschine verbraucht in der Herstellung Ressourcen, wird unter bestimmten Arbeitsbedingungen hergestellt und verbraucht Strom. Ein maßvoller Konsum ist daher besser. Ebenso der Konsum von Ökostrom, damit die Maschinen nicht auch noch mit Atom- oder Kohlestrom bedient werden. Nicht genutzte Maschinen gehören vom Netz.
Nähen als Hobby oder ernsthafte nachhaltige Alternative?
Wer Nähen kann ist klar im Vorteil. Und er kann weitaus mehr bewirken, als „nur“ die Billiglohnnäherin durch eigene Arbeitskraft zu ersetzen. Die richtige Stoffwahl, bewusster Konsum, zurückhaltung beim Zubehör und langlebige Maschinen können ein Beitrag sein, den persönlichen Verbrauch im Kleidungssektor zu reduzieren. Wer selbst etwas herstellt, schätzt es mehr wert. Denn man spürt direkt, wie viel Arbeit in eine Kleidungsstück steckt.
All das ist aber kein Alibi um wöchentlich neue Kleidung zu nähen. Es macht am Ende keinen Unterschied ob ich „shop till you drop“ oder „sew till you drop“ praktiziere. Bei allem gilt, den Verbrauch und die Ausbeutung so gering wie möglich zu halten. Daher sehe ich inzwischen Nähen als Hobby kritisch. Wer nur auf Stoffjagd ist und jeden neuen Schnitt nachhähen will, der verlagert lediglich den Konsumrausch. Deshalb steht das Reflektieren und Nachdenken immer vor dem Konsum. Und das gilt letztendlich für jedes Kreativhobby.