[Engagagier dich!] Durch politisches Engagement und das Befähigen anderer
[Engagagier dich!] Die Krux am Ehrenamt und die Frage nach dem eigenen Platz
Heute führe ich ein Interview mit Andi. Er teilt seine klugen Gedanken auf Instagram in seinem Profil HerrKlemmbrett und ist mehrfach engagiert. In meiner Reihe ist er außerdem einer der beiden einzigen Männer, die sich gemeldet haben. Das entspricht spannenderweise auch von mir wahrgenommenen die Geschlechterverhältnisse auf Instagramm unter den Green-Blogger:innen und Green-Instagrammer:innen. Andi, so habe ich ihn verstanden, ist einerseits getrieben von dem Bedüfnis sich einzubringen. Andererseits aber muss er gut mit seiner Zeit haushalten (kein Wunder, bei zwei kleinen Kindern). Wer ihm auf Instagram folgt, der merkt: Er sucht noch nach einem Weg, wie sein Engagement in der Zukunft aussehen soll. Soll es „geordnet“ in die Politik gehen oder doch auf die Straße mit XR und Co? Ich verstehe ihn da sehr gut, denn mir ging und geht es oft genau so.
Hallo Andi. Stell dich doch bitte kurz vor. Wieviel Zeit hast du zur Verfügung? Und ist dir der Hang zum Engagement schon in die Wiege gelegt worden?
Ich heiße Andi, bin verheiratet und habe mit meiner Frau 2 Kinder. Mit meiner Tochter bin ich momentan in Elternzeit. Wenn sie in die Kindertagesstätte kommt haben wir bis dahin 17 Monate miteinander zu Hause verbracht. Mein „Großer“ geht in die KiTa.
Bedeutet das jetzt das ich viel Zeit habe? Es fühlt sich zumindest nicht so an. Meine Frau geht in Teilzeit arbeiten und verbringt noch viel Zeit hier zu Hause am Schreibtisch. Deshalb kümmere ich mich ums Einkaufen, Kochen, Kinderbetreuung und um die anderen kleinen und großen Dinge des Haushalts.
Um engagiert zu sein, suche ich mir daher die Lücken des Alltags. Absprachen mit meiner Frau sind da besonders wichtig, weil es vorrangig um darum geht, dass die Kinder gut betreut sind. Es funktioniert nicht alles, was ich mir wünsche. Aber ich werde auch durch meine Frau in meinem Engagement unterstützt.
In meiner Kindheit sind mir bei den Pfadfindern, aber auch im Sportverein viele engagierte Erwachsene begegnet. Da waren einige wertvolle Vorbilder dabei. Auch meine Mutter hat sich eingebracht wo sie konnte. Meine eigene ehrenamtliche Zeit in der Jugendarbeit hat mich als jungen Erwachsenen ebenfalls sehr geprägt. Jetzt ertappe ich mich immer häufiger dabei, dass ich denke „Ich kann mich doch nicht nicht engagieren. Ich muss was tun!“
Wo engagierst du dich und wie bist du überhaupt zu deinem Engagement gekommen?
Momentan versuche ich 3 verschiedene Formen von Engagement auszubalancieren.
In dem Unternehmen, in dem ich arbeite bin ich Betriebsratsmitglied. Das ist ein Ehrenamt. Ich setze mich für gute Arbeitsbedingungen und ein faires, gleichberechtigtes Miteinander ein.
Zugleich bin ich Mitglied bei den Grünen und habe bei zwei Wahlkämpfen auf der Strasse unterstützt. Da 2020 bei uns Kommunalwahlen stattfinden, sehe ich es es Chance mehr über Kommunalpolitik zu erfahren. Dort möchte ich mich zukünftig etwas mehr einbringen.
Dann bin ich noch mit extinction rebellion in meiner Stadt aktiv. Dort bin ich reingerutscht, weil ich einen riesigen Handlungsbedarf bei den Themen Klimagerechtigkeit und ökologische Krise sehe. Das beschäftigt mich sehr. Bei diesen Themen will ich nicht die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass jemand anderes anfängt zu handeln.
Wie viel Aufwand ist das eigentlich? Braucht man dafür nicht viel Zeit?
Aufwändig ist für mich vor allem das Ausbalancieren und Organisieren! Wie viel Zeit möchte ich für mein Engagement gegenüber meiner Familie einfordern? Wo sind die Lücken, zu welchen Uhrzeiten passt es gut, wann sollte ich besser zu Hause sein? Wer könnte auf die Kinder aufpassen, wenn meine Frau noch arbeiten muss?
Es fühlt sich an wie Zeitmangelwirtschaft. Ich würde manchmal gerne Vollgas geben und mich in einem Engagement voll einbringen. Das geht aber nicht. Gleichzeitig bleibt zu Hause einiges liegen. Das fühlt sich nicht immer gut an. Und es sorgt natürlich zu Hause auch manchmal für Konflikte.
Braucht man für das, was du tust bestimmte Voraussetzungen?
Für die Grünen die Betriebsratsarbeit, aber auch für Extinction Rebellion muss du keine persönlichen Vorraussetzungen erfüllen. Das ist echt super, da jeder und jede dazu eingeladen ist sich einzubringen. Du kannst da sein und durchs Handeln und dein Mittun lernen! So habe ich es erlebt und finde auch einen niedrigschwelligen Einstieg in eine Organisation extrem wichtig. Natürlich müssen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. In den Betriebsrat musst du gewählt werden, bei einer Partei füllt man einen Mitgliedsantrag aus. Wer bei Extinction Rebellion mitmachen möchte, muss mit den 3 Forderungen und den Prinzipien einverstanden sein und diese auch vertreten können.
Was fehlt ganz besonders, wenn du an dein oder allgemein an Engagement denkst?
Menschen die mitwirken! In Deutschland gibt es viele engagierte Bürger, das finde ich großartig. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Fülle von Problemen und Missständen die zivilgesellschaftliches Engagement nötig werden lassen. Vielfach hält privates Engagement die Gesellschaft zusammen und füllt Leerstellen aus, die meiner Meinung nach der Staat füllen müsste.
Engagement ist aber auch ein Ausdruck einer wachen und solidarischen Gesellschaft. Menschen kümmern sich, sie setzen einen Kontrapunkt zur Gleichgültigkeit und zum entgrenzten Individualismus unserer Zeit.
Würdest du sagen, das Engagement hat dich verändert? Bist du ernüchtert? Oder fühlst du dich bereichert?
Ich fühle mich wirksam. Und handlungsfähig. Allein dadurch, dass ich mitwirke. Das fühlt sich gut an. Ich durfte so viel lernen und habe verschiedenste Erfahrungen machen dürfen. Es gab auch viele stressige und anstrengende Situationen. Aber am Ende würde ich sagen: Engagement tut mir gut.
Trotzdem bin ich aber vor allem für meine Kinder wichtig und auch als Ehemann. Manchmal fühle ich mich dadurch eingeschränkt. Ein egoistisches Gefühl, dass zum Glück schnell wieder verfliegt. Das ganze Engagement nützt mir ja nichts, wenn ich dadurch meine Familie vernachlässige.
Vervollständige bitte folgenden Satz: Engagement ist wichtig, weil …
… sie deutlich macht, dass wir uns nicht egal sind. Wenn du dich für ein Thema oder in einer Organisation engagierst sorgst du dafür, dass es gemeinsam weitergeht.
Lieber Andi, danke für das Interview. Familie und Engagement unter einen Hut zu bringen und dabei auch noch auszuloten, was die eigenen Prioritäten sind ist wirklich eine Herausforderung. Dass du dennoch dabei bleibst, etwas tun zu wollen ist großartig.