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Wo soll man sich bloß engagieren? In die Politik gehen oder in eine der vielen Organisationen, die für Veränderung kämpfen? Ich glaube, nicht wenige stellen sich diese Frage und wissen nicht, was besser ist. Wo soll man sich einbringen und was macht am meisten Sinn? Anfang 2019 stand ich vor genau dieser Entscheidung. Soll ich mich in der Politik engagieren, namentlich im Gemeinderat oder doch lieber in einer gesellschaftspolitischen Organisation?
Bei mir war endlich wieder Raum für mehr Engagement und ich wollte was tun. Doch wohin sollte die Reise gehen? Ich musste abwägen und stellt mir die Frage, die ich mir für diesen Text als Arbeitstitel gegeben habe: Engagement in der Politik oder Engagement in einer NGO*? Am Ende entschied ich mich für den Versuch in die Politik zu gehen. Neuland, und damit sehr aufregend.
Und im Laufe der Zeit habe ich festgestellt: Es ist am Ende egal, wo du dich engagierst. Keines ist „besser“. In allem liegt Kraft und Option auf Veränderung und Gestaltung. In allem liegen Grenzen und Schwierigkeiten. Aber das wichtigste: Das eine kann ohne das andere nicht.
Politik – Entscheidungsmacht mit Fallstricken
Ein politisches Amt annehmen kann unglaublich ermächtigend sein. Endlich an den Schalthebeln sitzen, mitgestalten und mitbestimmen. Eine Stimme, die gehört wird. Und in meinen Augen ist es da auch egal, ob das im kleinen Gemeinderat oder im Bundestag passiert. Dort, wo die Entscheidungen getroffen werden zu sitzen kann sich richtig gut anfühlen.
Allerdings haben politische Ämter ein paar Probleme: Sie sind begrenzt und abhängig von Wählerstimmen. Das macht sie sehr anfällig, nicht zu viel zu wollen. Lieber nicht anzuecken mit dem Ziel, nach 4-6 Jahren noch mitmachen zu dürfen. Außerdem kann es passieren, dass man allein auf verlorenem Posten sitzt, dass die Mehrheit einfach immer anderes abstimmt als man selbst. Politik ist ein Marathon. Das lernt man sehr schnell. Man muss „dicke Bretter bohren“ und so ein politischer Dampfer, der ändert seinen Kurs manchmal sehr langsam.
Und wenn man lange genug „geht nicht“ hört, glaubt man es am Ende vielleicht selbst. Denn die Gefahr besteht, dass man aus seiner Blase nicht mehr rauskommt und vergisst, links und rechts des ausgetretenen Weges zu schauen. Da gerät man schnell im das Fahrwasser derer, die schon lange dabei sind und einträchtig sagen, was geht und was nicht. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Demokratie eben auch von Kompromissen lebt – die sind meist (nicht immer!) sinnvoll und tatsächlich mit das schwerste in der Arbeit. Denn wer seine Ziele vor Augen hat, möchte eigentlich nicht den „zwei vor, einer zurück“ Tanz tanzen.
Gesellschaftspolitische Organisationen – Ohne Wenn und Aber, dafür mit viel Frust
Und hier kommt die Arbeit von allen NGOs ins Spiel. Sie können mobilisieren und ihre – bestenfalls auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden – Forderungen stellen. Sie sind ein unverzichtbares Sprachrohr in einer Demokratie. Sie dürfen, ja müssen maximale Forderungen stellen und Kompromisse auch mal als faul titulieren. Engagement in einer Organisation kann unglaublich selbstermächtigend sein. Gerade im bereich der Klimakrise ist Handeln so wichtig und endlich aktiv zu sein, kann gegen die Ohnmacht helfen.
Aber sie sitzen nicht am Schalthebel. Was sie erreichen können, ist die dort Sitzenden unter Druck zu setzen, ihnen Fakten vorzulegen und mit dem Rückhalt einer großen Menge Menschen Veränderungen zu fordern. Eine kritische Masse mobilisieren und der Politik aufzeigen, wann ein Wandel unumgänglich ist. Für sie ist es erst einmal irrelevant, ob Wahlen sind. Ihre Forderungen sind überparteilich und oft genug mit keiner Partei wirklich kompatibel. Und das ist gut so. Aber es ist maximal frustrierend, wenn du für etwas protestierst und doch nichts passiert. Wenn sich der Dampfer Politik nicht oder nicht genug bewegt.
NGO und Politik – Untrennbare Partner in einer Demokratie
Politiker*innen tuen gut daran, mehr auf NGOs zu hören. Ihre Untersuchungen, Forderungen und Ideen wahrzunehmen und zuzuhören. Damit man aus dem Fahrwasser des „immer weiter so“ heraus kommt. Damit sich Entscheidungsfindungen öffnen für mehr als die Interessen der immer gleichen. Dafür braucht es laute und penetrante NGOs mit aktiven Mitstreiter*innen. Und dafür braucht es Politiker*innen, die gewillt sind mehr zu tun als das bequeme.
Der Willen zum Engagement ist da. Aber wo ist man denn nun besser aufgehoben?
Darauf gibt es keine Antwort ausser die: Dort wo du das Gefühl hast am meisten bewegen zu können. Denn das kann je nach Ort und Zeit ganz unterschiedlich sein. Man kann als Einzelner nur so und so oft gegen Wände rennen – daher sollte man sich dort einbringen, wo man es nicht all zu oft tun muss.
Beide Seiten – wenn man von Seiten sprechen kann – sind relevant für unsere Gesellschaft. Wir brauchen engagierte Menschen überall. Auf der Straße. In politischen Ämtern. In Diskussionsrunden. In Organisationen. Auf allen Ebenen. Wir brauchen die mutigen und offenen Entscheidungsträger*innen und diejenigen, die ihnen regelmäßig den Spiegel vorhalten und sie fragen, ob sie noch genug links und rechts schauen auf ihrem Weg. Wir brauchen eine Wertschätzung jeder Art von Engagement. Sie alle sind das Fundament auf dem unsere Demokratie steht und jede Form ist wichtig. Wenn es uns gelingt, beide Stränge zusammen zu bringen, dann können wir sehr viel bewegen. Davon bin ich überzeugt.
Die nächste Gelegenheit, sich politisch zu engagieren ist übrigens der nächste Globale Klimastreik von Fridays for future. Der findet statt am 3. März 2023. Save the date!
*NGO bedeutet Nicht-Regierungs-Organisation und meint alle gesellschaftlich-politsch aktiven Gruppen, die nicht an parteipolitsche oder Regierungsinteressen gebunden sind.