Kommunalpolitik. Was macht eigentlich der Gemeinderat?
Kommunalpolitik. Der Weg zum Erfolg – mit konkretem Beispiel.
Im ersten Beitrag meiner Kommunalpolitik Reihe hatte ich euch die (bayrische) Kommunalwahl und den (bayrischen) Gemeinderat allgemein vorgestellt. Heute soll es um die Zusammenarbeit der Fraktionen im Rat gehen. Eine Frage in der Politik ist ja immer: Wie arbeitet man zusammen, trotz verschiedener Vorstellungen und politischer Richtung? Natürlich gilt das nicht nur für die Kommunal-, sondern auch für die Bundes- und Landespolitik. Aber im Gegensatz zu letzterer gibt es in der Kommunalpolitik keine Opposition. Und das ist ein klares Plus. Denn niemand muss per se aus der Gegenseite heraus agieren.
Also ist alles eitel Sonnenschein?
Nein, so einfach ist das natürlich nicht. Nur weil es keine Regierungspartei und Opposition gibt, heißt es ja nicht, dass im Gemeinderat nur Ringelpietz mit Anfassen gespielt wird. Natürlich haben auch hier alle Fraktionen einen eigenen Schwerpunkt, wollen unterschiedliche Dinge. Und auch dort, wo man sich vielleicht einig ist in der Sache selbst, die Ideen zur Umsetzung sind dann doch verschieden.
Da wird dann gerungen und diskutiert und manch Antrag kommt nicht durch. Je mehr der Rat sich an sich einig ist – zum Beispiel in Fragen der Ortsentwicklung – desto eher findet man schnell Zustimmung. Aber gestritten wird dennoch. Klar, schließlich ist ja jeder/r davon überzeugt, dass ihr/sein Weg richtiger oder besser ist.
Und wie setze ich dann die Überzeugung meiner Fraktion um?
Das hängt von ein paar grundlegenden Dingen ab.
Einmal natürlich, wie groß die eigene Fraktion ist. Wie viele Stimmen aus der Bevölkerung hat sie bei der Kommunalwahl bekommen? Denn kommunale Räte haben je nach Einwohnerzahl eine bestimmte Größe, also Anzahl an Sitzen. Je mehr Stimmen eine Partei im Wahlkampf bekommt, je mehr Sitze nimmt sie im Rat ein. Das heißt auch, ein Rat kann aus vielen oder wenigen Fraktionen bestehen. Bei uns sind es zum Beispiel fünf Fraktionen unterschiedlicher Stärke (=Sitze). Je mehr Sitze meine Partei/Fraktion also hat, desto mehr Stimmenanteile hat sie. Und je weniger muss ich um Stimmen anderer Fraktionen „buhlen“ um zum Erfolg zu kommen.
Dazu ist es es auch wichtig, wie gut man mit den anderen kann. Sind die Überzeugungen sehr gegensätzlich wird es sehr viel schwieriger als wenn man generell einig ist und nur ums Detail streiten muss. Da hilft es tatsächlich schnell als gesamter Rat in Klausur zu gehen nach der Wahl. Denn wenn man sich darauf verständigen kann, wohin man generell und wie man miteinander umgehen will, dann fällt es leichter, den Weg dorthin zusammen zu gehen. Und generell sind ja auch fast alle Parteien gewillt FÜR etwas zu arbeiten, in diesem Fall für den Ort. Reine Blockade gibt es eigentlich selten.
Konflike mit den anderen Fraktionen gibt es trotzdem.
Aber natürlich gibt es auch Konflikte. Zwar kann ein kleiner Rat toll sein, weil man sich kennt. Doch er kann auch schwierig werden – eben weil man sich kennt. Und im Gegensatz zu einer Berufspolitikerin hat man als Ehrenamtliche die Sache mit der Professionalität eben nicht sofort auf dem Schirm. Da hilft es wirklich, Verbindungen mit anderen Fraktionen zu knüpfen, alle Vorsitzenden dazu aufzufordern für eine gute Arbeitsatmosphäre zu sorgen und auf die oben genannte Professionalität zu pochen.
Streit ist per se ja auch nicht schlecht. So lange er sachlich bleibt. Es ist davon auszugehen, dass Fraktionen immer mal wieder unterschiedliche Ziele haben. Bildet sich z.B. keine Mehrheit für die Forderung, mehr Radwege zu schaffen, dann wird es schwierig. Wollen aber grundsätzlich schon alle mehr für Radfaher:innen tun, dann diskutiert man eben über das Wie. Wenn alle offen sind für gute Argumente, dann kann hart verhandelt und diskutiert werden ohne den Gegenüber nieder zu machen.
Also ist es eigentlich egal, wen ich wähle?
Nein. Vermutlich werden sich Wahlprogramme der Fraktionen in kleineren Orten meist sehr ähneln. So viel verschiedene Schwerpunkte gibt es da ja nicht. Manchmal kristallisiert sich ein Streitpunkt mit der Frage „Dafür oder dagegen?“ heraus. Und manchmal ist der Unterschied minimal. In Städten oder Kreisen sieht das schon wieder anders aus, weil es viel mehr Optionen gibt, womit man sich befassen will. Gleichzeitig beibt das Geld für den Haushalt aber konstant und damit kann man nicht alles gleichwertig wollen.
Doch selbst in Orten mit sehr wenig Unterschieden lohnt sich immer der Blick auf das Wie. Wie will jede Fraktion ihre Ideen umsetzen? Hat sie bereits Pläne und Argumente? Und auch auf die Erfahrung aus den Vorjahren kann man blicken. Wie gut lief es? Wurden Enstscheidungen nach Außen getragen? Entspricht die Politik noch den Ansprüchen an heute oder hat sie sich in einem „läuft ja eh“ festgefahren? Außerdem ist eine Kommunalwahl ganz klar auch eine Personenwahl. Neben der parteipolitischen Verortung schaut jede/r auch stark auf die Person an sich. Was kann sie und welche Ideen hat sie? Kenne ich sie vielleicht und traue ihr das Amt zu?
Wie weht der Wind? Politik hängt auch an den Forderungen der Bürger:innen
Wie erfolgreich eine Fraktion ist (in Sitzen und Umsetzung der Ideen) hängt nicht zuletzt mit dem politischen Wind zuammen. Was treibt die Bürger:innen eines Ortes um? Auch auf Landes- und Bundesebene. Liegt der Schwerpunkt auf Joberhalt, auf einem gefühlten Verlust von Identität oder in Angst vor dem Klimawandel? Was ist inzwischen eigentlich Usus in der Politik, was leugnet so gut wie niemand mehr? Und dann: Wer traut sich ran?
In kleineren Orten wirkt die Meinung der Bürger:innen auch viel stärker als in Großstädten. Man kennt sich, man trifft sich. Damit ist man nahe dran am Geschehen und kann dazu eine Meinung abgeben. Es gibt Bürgersprechstunden und Bürgerversammlungen. Das Rathaus und die Räte bekommen Briefe und Anfragen. Es gibt ein recht direktes Feedback. Für die eigene Arbeit, aber auch, wie der Rat nach außen wirkt.
Keine Opposition, aber gewählte Stimmungleichheit – ein wirkliches Plus.
Damit komme ich auf den Anfang zurück. Es nimmt ungeheuer Druck raus, wenn ein Rat nicht aus Regierung und Opposition besteht. Für mich öffnen sich da Möglichkeiten des Gesprächs und der gemeinsamen Arbeit. Das es dennoch Arbeit ist, ergibt sich durch die verschieden vielen Sitze. Sie steuern im besten Fall die Politik des Rates, entweder durch Mehrheit oder durch Zusammenschluss. Aber das miteinander vorankommen ist leichter, wenn man die Partei etwas draußen lässt. Was nicht bedeutet, dass man sich verbiegt. Nur fällt es in kleinen Räten leichter mit anderen Fraktionen Entscheidungen mitzutragen, wo auf Landes- und Bundesebene alle aufhorchen würden und die Opposition viel schneller dagegen ruft.
Übrigens ein immer wieder heftig diskutierter Punkt: Wie viel muss ich mich dennoch als Partei positionieren um in meinen Überzeugungen von der Wählerin wahrgenommen zu werden? Denn am Ende steht doch auch wieder eine Neuwahl. Das finde ich eine der größten Herausforderungen und der müssen sich alle Fraktionen stellen, wenn sie für den Ort und nicht für die Partei arbeiten wollen.
PS. Ich weiß natürlich, dass es genügend Räte gibt, in denen das nicht so läuft. In denen Frauen so unterrepräsentiert sind, dass man sie klein hält. Wo „haben wir schon immer so gemacht“ auch heut noch auf der Tagesordnung in Stein gemeißelt steht. In der unterinander geschachert wird und von Transparenz nicht einmal annähernd die Rede sein kann. Wo Fraktionen nicht alle Informationen bekommen und gegeneinander statt miteinander gearbeitet wird. Was da in meinen Augen ganz wichtig ist: Als Bürger/in hinschauen und zu Sitzungen hingehen. Auch wenns anstrengend wird. Und sich ein Bild machen. Auch aus der Zeitung. Und wenn es soweit ist: nicht genervt abwinken, sondern neu wählen!