Kommunalpolitik. Jede Fraktion für sich oder alle zusammen?
Kommunalpolitik. Einer Partei beitreten?
Kommunalpolitik wird wirklich unterschätzt. Wir alle streben immer nach den großen Themen, wollen die riesen Veränderung. Welt retten – natürlich auf Bundes- oder EU Ebene. Dabei beginnen großartige Veränderungen auf lokaler Ebene. Hier funktioniert es am besten, schnellsten und vor allem: Sie wirken sich direkt aus. Natürlich sind sie nicht so fancy, aber für die Bewohner:innen vor Ort sind sie eben relevant. Oder würdet ihr sagen, dass die Ausstattung einer Grundschule, die Frage nach einem Schwimmbad oder der Bau von Fahrradwegen nicht relevant sind?
Ich kann nicht genug werben für Kommunalpolitik. Denn hier kann und wird so unglaublich viel bewegt. Klar ist es auch zäh, manches ist anstrengend. Und nicht alles geht einfach so. Gut Ding will auch hier Weile haben. Aber wenn man etwas verändert hat, dann ist es ein großartiges Gefühl. Weil man ja auch davon profitiert – schließlich wohnt man selbst vor Ort.
Aber wie kommt man nun zu einem Erfolg, zu einer Veränderung?
Als erstes: Man braucht gute Argumente, manchmal einen langen Atem, ab und an ist es tatsächlich die Frage, ob die Zeit reif ist und natürlich muss man die Mehrheit überzeugen. Davon ab, möchte ich heut aber an einem konkreten Beispiel erklären, wie der Weg von „das muss anders sein“ hin zur Veränderung von statten gehen kann. Ganz praktisch. Und das tolle: Es geht auch ohne Mandat, also du, du und du, ihr könnt genau so zu Erfolgen beitragen. Wie? Das erzähle ich euch jetzt.
Vom barrierefreien Ausbau einer Bushaltestelle
2019 habe ich (noch ohne Amt) meine Grünen Vertreterinnen im Gemeinderat angesprochen und darum gebeten, sich dafür einzusetzen, eine Bushaltestelle barrierefrei umzubauen. Mir war der Missstand irgendwann aufgefallen und ich konnte einfach nicht nachvollziehen, wie eine Bushaltestelle, die nur über Treppen erreichbar ist, überhaupt noch Bestand haben kann.
Die Fraktion war davon überzeugt und schrieb einen Antrag.
Ein Antrag ist eine schriftliche Froderung, etwas zu ändern, einzuführen oder zu überprüfen. Er wird von einer oder mehreren Fraktionen gestellt und dem Gemeinderat sowie der/m Bürgermeister:in vorgelegt. Und er mus innerhalb einer Frist behandelt werden. Zum einen muss er angenommen werden und zum anderen muss dann darüber abgestimmt werden, ob ihm gefolgt wird oder nicht.
Es wurde ihm gefolgt. Natürlich ist so ein Thema auch wenig umstritten. Barrierefreiheit sehen schon alle als wichtig an, nun übersehen wird es (leider auch wegen fehlender Vertretung von Betroffenenen in allen Gremien) immer wieder. Die ganze Bearbeitung dauerte ein wenig, zwischendrin war ja auch noch Kommunalwahl. Aber ein Jahr später, 2020 wurde dann im Rat ein konkreter Entwurf für die Bushaltestelle vorgelegt. Und nicht nur das.
Es folgte der Vorschlag, alle Bushaltestellen barrierefrei umzubauen.
Damit ging die Gemeinde einen größeren Schritt als zunächst beantragt. Hier sieht man natürlich auch gut die eigene Betriebsblindheit. Sehr oft wird nur ein singulärer Missstand erkannt und kein übergreifender.
Der Entwurf für den Umbau lag vor und war genehmigt, nun dauerte es aber nochmal einige Zeit. Ausschreibung für den Bau, Corona, Winter, … Umbauten gehen nie schnell. Aber seit Mai 2021 haben wir einen grandios umgebaute Haltestelle. Ohne Rampe sondern mit ebenerdigen Zugang zur Haltestelle dank Höherlegung des Fuß- und Radweges. Taktitle Bodenelemente, Wartehäuschen und passende Bordsteinhöhe für den Niederflurbus inklusive.
Es macht mich tatsächlich stolz zu wissen, dass dieser Umbau auch auf mein Betreiben hin vollzogen wurde. Sicher, die Zeit war längst reif, und wer weiß ob es nicht nach der Kommunalwahl unter neuer Bürgermeister:in nicht eh passiert wäre. Aber warum warten, wenn einem ein Missstand auffällt?
Auch in der Kommunalpolitik dauert alles seine Zeit, aber das heißt nicht, dass es sich nicht lohnt!
Vom ersten Ansprechen des Problems bis hin zum fertigen Umbau sind etwa 2 Jahre vergangen. Das klingt nach viel Zeit. Lohnt sich da die Arbeit überhaupt? Ja. Denn ohne das Anstoßen hätte es vielleicht noch länger gedauert oder es wäre tatsächlich nichts passiert. Und es ist etwas, was sich direkt vor Ort messen lässt. Die Veränderung ist sichtbar. Sie hat einen Einfluss auf alle Bürger:innen. Und vor allem: Das direkte Gestalten vor Ort ist etwas, was einen Zufrieden zurück lässt. Man sieht die Früchte seiner Arbeit.
Ein Hoch auf die Kommunalpolitik.
Und es zeigt auch: Veränderung ist auch möglich, wenn man kein Amt inne hat. Mit politischen Vertreter:innen im Ort reden ist etwas, was auf kommunalpolitischer Ebene einfach und gut funktioniert. Man kann seiner/m Bundestagsabgeordneten schreiben bis die Finger glühen, wie schnell wird sich dadurch etwas ändern? Aber ein Gemeinderatsmitglied ansprechen und auf etwas aufmerksam machen, geht schnell und unkompliziert. Manchmal wird daraus eine Anfrage. Manchmal ein Antrag. Natürlich verläuft es auch manchmal im Sand, nicht alles wird von der Mehrheit getragen, nicht alles wird angenommen. Auch in der Lokalpolitik gibt es verschiedene Überzeugungen. Aber es gibt auch viel Bürger:innenbeteiligung. Ortsentwicklung, Mobilität, Zukunftswerkstatt – das klappt am besten direkt vor Ort. Und zwar mit und ohne Amt.
1 Comment
Das ist vielleicht nicht direkt vergleichbar, aber als ich unseren schottischen MP ansprach wegen der unglaublichen Gebúhren (£1200.-) fúr etwas, zu dem meine Tochter einen gesetzlichen Anspruch hat, war er erstmal geschockt- und dann hórte ich erst wieder davon als er das Home Office vor Gericht brachte und gewann. Er ging heim, recherchierte und setzte die Hebel in Bewegung, um das zu ándern. .