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Im 4. Jahrhundert ist es, da zeigt sich Kaiser Konstantin der Große wahrlich großzügig. Nicht uneigennützig, denn er wird krank. Der große Christenverfolger bekommt nämlich die Strafe Gottes ab, zack Lepra. Und obwohl man ihm rät, das ganze lasse sich locker mit Kinderblut lösen, hat er Mitleid und fragt dann doch lieber beim Papst an. Weil er hatte da einen Traum. Der Papst heißt Silvester I. und ist vor Konstantin geflohen, kommt aber dann doch und heilt selbigen durch Taufe und in Taufwasser waschen. Und da will man doch nicht kleinlich sein, ich bitte euch.
Ein Geschenk muss her. Ein ordentliches. Die Herrschaftsinsignien will Silvester, ganz bescheidener Diener auf Erden nicht. Also schenkt der Kaiser dem Papst ein kegelförmiges Hütchen (die Fabergé-Ei-mäßige Tiara kennt ihr alle aus alten Papstbildern) und veranlasst eine herrschaftliche Schenkung an den Papst und alle nachfolgenden Päpste und Bischöfe. Er überträgt ihm „die ganze Stadt Rom, alle Provinzen Italiens und der westlichen Gegenden, alle Orte und Städte.“ Und das „bis ans Ende der Zeit„. Ein schönes Geschenk. Da hat sich der Kaiser nicht lumpen lassen. Und er lässt dies auch gleich mitsamt seiner Wunderheilung in einer Urkunde festhalten.
Zu schön um wahr zu sein.
Dumm nur, dass das glatt gelogen ist. Schade Marmelade. Die Urkunde ist mitnichten vom Kaiser persönlich. Ja nicht mal aus dem 4. Jahrhundert. Tatsächlich wird sie irgendwann im 8. oder 9. Jahrhundert verfasst. Wer eine päpstliche Verschwörung wittert wird jetzt ein bisschen enttäuscht. Denn ja, eventuell entstand sie in römisch-päpstlichen Zusammenhang. Möglich ist aber auch eine Herkunft aus dem nördlich der Alpen gelegenen Frankenreich von wo aus die Schenkungsurkunde dann nach Rom kommt. Leider muss man hier sagen: Die einen sagen so, die anderen so. Nachweisen lässt sich beides nicht sicher.
Aber ist so eine Schenkung nicht mega praktisch?
Zack, alles meins! Papst vs. Kaiser – das ist ja DER Beef des Mittelalters. Bietet sich da nicht sogar an, genau deshalb ein päpstliches Mitmischen zu vermuten? Ich seh schon, wie der Papst in einer dunklen Schreibstube einem armen Mönch das Schreiben diktiert. Händerreibend. Finsterer Blick. Ein mittelalterlicher Papst halt, was will man erwarten, ne?
Naja. Puh. Man muss ja immer aufpassen, dass man nicht in wilde Verschwörungsgeschichten verfällt, sondern guckt, was man wirklich nachverfolgen kann. Klar ist, dass so eine Schenkung nützlich ist. Denn der Kirchenstaat ist noch nicht fix, jederzeit droht Stress mit den Nachbarn. Da sind Rechtsansprüche günstig. Denn damit kann man weltliche Kämpfer zur Hilfe rufen oder sich vom Leib halten. Denn mit der Urkunde haben die Päpste zumindest eine rechtliche Grundlage, die sie im Streit um Vorherrschaft mit dem Kaiser auch brauchen.
So richtig zünden will die Schenkung nicht.
Bis zum 11. Jahrhundert (also round about 200 Jahre nach der Fälschung) nutzen die Päpste die Schenkung eigentlich wenig, geschweige denn rammen sie ihre Fahne in Landesteile (zumindest nicht wegen der Schenkung) oder wedeln damit vor des Kaisers Nase. Klingt also nicht so, als habe man nur darauf gewartet, dass die Tinte trocken ist um „Meins!“ zu brüllen. Die Päpste bleiben vorsichtig. Denn was die Schenkung auch sagt: Eure Macht habt ihr durch die Güte des Kaisers, nicht durch Gott. Schwierige Sache also in Zeiten des Herrschaftskonflikts zwischen weltlicher und geistlicher Macht. Da beruft man sich doch lieber auf die Bibel und Petrus.
Genutzt wird die Schenkung aber ab und zu schon. Zum Beispiel, als es richtig Krach gibt zwischen dem Papst der Westkirche (also katholisch) und dem Patriarchen der Ostkirche (also orthodox). Da brodelt es ja so sehr, dass es am Ende zu einem großen Knall kommt. Aber da geht’s um Streit zwischen zwei Glaubensrichtungen. Im Konflikt mit der weltlichen Macht erhebt dann Urban II. im 11. Jahrhundert tatsächlich laut Anspruch auf sämtliche Inseln der Welt und beruft sich auf die Konstantinische Schenkung. Ansonsten wird es dem ein oder anderem Kaiser schon mal dezent unterbreitet, dass man da ja gewisse Anrechte an Vorherrschaft habe.
Am Ende doch noch aufgedeckt
Ja ahnt denn aber keiner was? Doch, es gibt im Mittelalter immer wieder Stimmen die sagen: „Hm Moment mal, das stimmt doch nicht.“ Aber das sind ganz wenige und auch noch Herätiker. Also vom richtigen Weg abgekommene. Ob jetzt deshalb oder schon vorher, keine Ahnung. Na und König Otto III. Der sieht die Urkunde wohl auch als Fälschung an. Aber das nutzt wenig. Zumal Otto schnell tot ist, natürliche Ursache btw., nicht dass hier wieder ein Hollywoodfilm abgeht. Die Mehrheit der Menschen versteht den Inhalt der Urkunde als wahr. Kritische Quellenanalyse ist ja erst eine spätere Methode. Nachweislich aufgedeckt wird die Fälschung dann auch erst im 15. Jahrhundert. Mit den Humanisten wächst die Kritik an der Kirche und den Päpsten und damit auch das Bestreben, solche Fälschungen zu entlarven. Die katholische Kirche selbst erkennt im 17. Jahrhundert dann an, dass die Urkunde gefälscht ist, hält aber daran fest, dass inhaltlich das Ganze ganz bestimmt trotzdem so war, wie es da steht. Bis ins 19. Jahrhundert hinein. Und erst 2006 verzichtet Papst Benedikt XVI. auf den Titel „Erster Patriarch des Abendlandes“. Übrigens auch auf die Fabergé-Ei Tiara im Wappen.
Eine Quelle und durchaus interessante Vorlesung: YouTube