Ein paar Gedanken zum Reisen
Visite la Normandie. Der Teppich von Bayeux, die Gärten Monets und der Mont-Saint-Michel.
Mit dem Nachtzug durch Europa. Abends einsteigen und am nächsten Morgen in einem neuen Land, einer neuen Stadt aufwachen und den Urlaub beginnen. Was klingt wie eine klimafreundliche Idee des 21. Jahrhunderts ist tatsächlich etwas, was weit vor all den Billigfliegern bis Ende der 1990er in Europa möglich war.
Nachtzüge in Europa: Einmal München – Kopenhagen mit dem CNL
Ich bin zu seinen Hochzeiten leider nie Nachtzug gefahren. Aber 2010 fuhren wir als Familie erstmals mit dem Zug von München nach Stockholm um dort mit der Fähre nach Finnland überzusetzen. Eine spannende Strecke, die wir davor noch nie ausprobiert hatten. Dass es einen CNL (CityNightLiner) von München nach Kopenhagen gab, machte uns die Entscheidung nochmal viel einfacher. Denn mit zwei kleinen Kindern und schwanger sollte die Reise auch nicht ganz so anstrengend werden. Je mehr man davon verschläft, um so besser.
Das Buchen war 2010 echt eine der größten Herausforderungen der gesamten Reise. Damals noch zu viert konnten wir einen ganzen Schlafraum für uns buchen, zu horrenden Preisen. Denn dass Kinder im Zug kostenlos mit Eltern mitfahren gilt im Schlafwagen nicht. Noch nerviger war aber das Buchungsverfahren per Telefon. Denn München-Kopenhagen und weiter nach Stockholm und zurück – das ging damals nicht online. Zumal DB und SJ (Schwedische Bahn) zu unterschiedlichen Zeiten ihre Kontingente frei schalten. Und wer oft Bahn fährt weiß: der frühe Vogel fängt den Sparpreis. Aber mach das mal, wenn du per Telefon versuchst weitere europäische Bahnen dazu zu buchen. Sagen wir es so: Man kann seine Zeit echt besser verbringen. Heute ist das ganze zum Glück anders, und zumindest alles vom Start- zum Zielbahnhof geht über eine Webseite. Weiterfahrten in anderen Ländern dann nur über deren Seiten und Apps. Aber das sollte inzwischen kaum jemanden stören.
Die Fahrt war ein richtiges Abenteuer. Enge, kurze Betten (mein Mann und ich sind überdurchschnittlich groß), mittelprächtiges Frühstück am Morgen, ruckelige Nacht. Aber irgendwie auch richtig cool. Und wenn man dann morgens auf die Landschaft in Dänemark schaut, dann ist es doch alles viel weniger schlimm als man denkt.
Beste Fehlentscheidung ever: Nachtzüge rentieren sich nicht
Little did we know, dass unsere Verbindung mit dem CNL „Hans Christian Andersen“ schon kurz darauf enden würde. Nach 2010 gab es diese Verbindung einfach nicht mehr. Wir mussten dies 2018 feststellen, als wir erneut – diesmal mit Erfahrung – die selbe Strecke zurücklegen wollten. Was war passiert?
Die DB hatte sich ihre Zahlen angeschaut und festgestellt, dass sich ein Nachtzugangebot mit Blick auf all die Billigflieger nicht lohnt. Sie gab all ihre Schlafwagen ab und stellte das Angebot 2016 ein. Damit war sie übrigens nicht allein. Europaweit wurden seit Beginn der 2000er die Nachtzugverbindungen verringert. Unsere Nachbarn von der ÖBB haben sich allerdings nicht zur Aufgabe entschieden und so fährt jetzt die ÖBB Nachtzugstrecken, auch durch Deutschland. Dumm gelaufen, Deutsche Bahn.
Die ganze Misere rund um das Nachtzugangebot könnt ihr übrigens im Artikel auf Investigate Europe lesen. Ich finde das sehr übersichtlich. Außerdem zeigt es mal wieder, dass man nicht vorschnell eine einfache Antwort finden kann, sondern die Sachlage komplexer ist. Dass sie sich ändern muss bleibt aber bestehen. Am Ende brauchen wir halt eine europäische Gesamtlösung und kein Kleinklein der lokalen Angebote.
Noch einmal Finnland, noch einmal Nachtzug
Schademarmelade, dass die bequeme Option, einen Großteil der Strecke nach Norden schlafend zurück zu legen 2018 bereits keine Option mehr war. Diesmal ging es per Nachtzug nur bis Hamburg. Es gab zwar auch einen Nachzug von Malmö nach Stockholm, aber wir wollten den langweiligsten Teil (Deutschland) verschlafen. Mehr darüber könnt ihr im Blogbeitrag zu unserem Urlaub ohne Auto in Südfinnland nachlesen. Inzwischen gibt es die Strecke Puttgarden – Rødby mit dem EC in der Fähre auch nicht mehr. Man bereitet sich auf den Fehmarnbelt-Tunnel vor. Schade. Denn das war echt cool.
2018 waren wir schon zu fünft und teilten uns mit einer jungen Frau ein Sechserabteil. Von der haben wir aber überhaupt nichts mitbekommen. Sie von uns vermutlich aber schon. Drei Kinder … ich weiß nicht, ob sie sehr glücklich war. Wobei die Kinder ruhig waren, nur leise sein ist halt keine Option bei kleinen Kindern. Der Nachtzug, diesmal der Nightjet, waren genau so alt wie 2010 die der DB. Vermutlich waren es die gleichen nur mit anderer Farbe. Diesmal fand ich die Fahrt nicht ganz so toll, es fehlte das Abenteuer. Morgens kurz vor Hamburg aus dem Fenster schauen ist halt irgendwie wenig aufregend.
Die Zukunft fährt auf der Schiene
Ursprünglich wollten wir 2023 nach Nordfinnland reisen. Aber aufgrund von Planänderungen mussten wir diese Reise vertagen. Just heute habe ich dann gelesen, dass es jetzt eine tolle neue Nachtzugverbindung gibt, nämlich Berlin – Kopenhagen – Malmö – Stockholm. Wie geil ist das denn? Endlich wieder Strecke machen auf dem Weg. Ich bin begeistert und hoffe, dass diese Verbindung auch 2024 besteht.
Überhaupt bin ich momentan verhalten zuversichtlich, dass da noch mehr gehen wird in Sachen Zugreise über Nacht. Die ÖBB hat bereits weitere Nightjet-Verbindungen angekündigt. In Europa kooperieren endlich mal die Anbieter miteinander. Was fehlt ist die Besteuerung von Kerosin und das Ende der Trassengebühren. Dann könnten auch die Preise stimmen und mehr Menschen auf die Schiene wechseln. Zudem müssen natürlich mehr Wagen her, viel mehr. Und neuere. Dass das richtig cool aussehen kann, zeigt die ÖBB auf ihrer Webseite. Schaut euch das mal an. Auf meiner To Do Liste steht definitiv eine Fahrt mit diesen neuen Waggons.
Viele nützliche und interessante Links
Welche Nachtzugverbindungen es gibt ist oft noch sehr unübersichtlich. Denn jedes Land prokelt da vor sich hin, mit und ohne Kooperationen. Und wir, die wir reisen wollen, müssen dann immer überlegen, ob es denn für die Strecke oder einen Teil einen Nachtzug gibt. Dafür braucht es einen Überblick. Den findet ihr zum Beispiel auf der Seite Nachtzug.net. Auch Interrail hat auf seiner Webseite eine gute Übersicht und selbst der ADAC – wer hätte es vermutet? – listet Die besten Routen auf.
Wenn euch generell interessiert, wo auf der Welt und in Europa eigentlich Nachtzüge fahren: Der Architekt und Kartograph Jug Cerovic hat sich die Mühe gemacht und Karten mit Nachtzugverbindungen erstellt. Wahnsinn.
Außerdem gibt es die europäische Kampagne „Trains für Europe“ von Jon Worth. Ziel ist ein europaweites Netz und kein Flickenteppich lokaler Anbieter.
In diesem Sinne, hoffen wir auf ein ausgebautes, europaweites, bezahlbares Schienennetz.