Freiburg. Die Ökostadt im Schwarzwald. Eine Bilderreise.
Europas Nachtzugnetz. Ein Schritt vor, zwei zurück.
Reisen, ferne Orte sehen aus reinem Vergnügen war immer schon eine Sache für Privilegierte. Zum Vergnügen reist man nicht in der Antike und im Mittelalter. Unterwegs im großen Stil sind vor allem Pilger, Missionare, Soldaten und „Entdecker“. Adelige im 16. Jahrhundert veranstalten ihre Grand Tour und später erfreut sich das Bürgertum an der Fremde. Briten entdecken beispielweise die Alpenregion, nun auch im Winter, für sich.
Heute ist Reisen zwar für eine viel breitere Masse Menschen möglich, aber dennoch bleibt Reisen an sich ein Privileg. Regelmäßig in die Welt hinaus ziehen ist bis heute nicht jedem möglich, entweder aufgrund der Kosten, oder weil sie schlicht aufgrund ihres Passes kaum reisen können.
Reisen als Grundrecht?
Für uns, die wir so priviligiert sind, dass wir jedes Jahr um diese Zeit nachdenken können, wohin es denn kommendes Jahr gehen soll, hat sich das Reisen außerdem sehr verändert. Durch günstige Flüge können wir über die ganze Welt nachdenken. Eine Reise nach Bali? Oder doch ein Städtetrip nach New York? Griechenland oder Türkei? Wintersport in Norwegen oder lieber ab in den warmen Süden? Die Möglichkeiten scheinen unendlich und für uns ausserdem selbstverständlich. Wer Geld und Zeit hat zum Reisen, der empfindet Einschränkungen wie 2019/2020 als fast unaushaltbar. Reisen als Grundrecht.
Wie sehr sich Reisen verändert hat, fasst Dominik Prantl in der Süddeutschen gut zusammen. In seinem Bericht über eine Zugfahrt bis in den Norden Schwedens schreibt er, dass eine Flugreise alleim dem Streckemachen dient um möglichst schnell ans Ziel zu kommen. Eine Zugfahrt hingegen muss, aufgrund ihrer Dauer, als Teil der Reise verstanden werden. Hier zeigt sich nach Prantl der „Unterschied zwischen Reisen und Urlaub“.
Ähnliche Gedanken hatte ich auf unseren Reisen nach Finnland. Wir sehen heute die Anreise zum Zielort als Übel, das möglichst schnell überstanden werden muss. Der Fokus liegt auf dem Zielort. Dabei könnte auch diese Reise teil der ganzen Unternehmung sein. Was, wenn unser Urlaub nicht erst beim Verlassen der Flugzeuges beginnt, sondern bereits mit Betreten des (Nacht-)Zuges? Mit echten Begegnungen zwischen Menschen und einer Entschleunigung, die nicht nur nervt sondern auch bereichert.
Natürlich muss man sich Bahn fahren leisten können. Aber wer oft und viel reisen kann, der könnte umdenken. Wir, die wir Zeit und Geld für Urlaube (ja plural) haben, haben so sehr verinnerlicht, dass die Welt schnell und günstig zu sehen sein muss. Die Folgen können wir sehen: Der subventionierte Flugverkehr stößt CO2 im großen Stil in die obere Atmospähre. Leerflüge setzen dem Ganzen die Krone auf. Nur damit wir für einen Kurztrip mal eben „in den Süden“ oder zum nächsten Städtetrip kommen. Ein Wochenende hier, eine Woche dort. Dabei vergessen wir, wie wenig Menschen weltweit diese Möglichkeit haben und welche Spuren wir in dieser Welt damit hinterlassen.
Reisen bildet
Aber bildet die Welt sehen nicht? Wer andere Kulturen trifft ist weltoffener und toleranter. Hand aufs Herz, wie viel Kultur sehen wir in unseren Hotels, in denen vermutlich gerade mal das untere Personal einheimisch ist. Wie viel von der jeweiligen Kultur lässt sich erfassen bei 14 Tagen all inclusive mit Guided Tour? Was bekommen wir von Land und Leuten mit, wenn wir drei Wochen lang mit dem Wohnwagen an der touristischen Hauptmeile entlang ruckeln oder in der Après Ski Bar im norwegischen Skiressort sitzen? Und was ist mit all den Kulturen, die wir bereits vor Ort haben? Wie sehr interessieren wir uns für andere Lebenswelten im eigenen Land?
Ja, Reisen kann bilden. Aber unsere Form des Welt entdeckens hat damit meist viel weniger zu tun, als wir denken. Und vielleicht müssen wir unsere Idee vom Reisen tatsächlich überdenken. Zwangsläufig. Weil weiter um die Welt jetten eben nicht funktioniert angesicht der Klimakatastrophe. Weniger und anders reisen muss unser Ziel werden. Subventionen müssen dorthin gehen, wo viele Menschen profitieren, und die Umwelt gleich mit. Reisen ist kein Teufelswerk. Es kann bilden und vor allem kann es uns selbst viel geben. Aber die Art und Weise wie einige wenige im großen Stil ihr vermeintliches Anrecht aufs Welt sehen einfordern, wird langfrisitg nicht mehr funktionieren.
Da Reisen aber eben auch mit sehr vielen Emotionen verbunden ist und mit dem Gedanken, es verdient zu haben, jetzt mal endlich einen anderen Teil der Welt zu sehen, ist dieses Umdenken schwer. Und jedes Mal wieder eien Gradwanderung. Es wäre halt schon mal gut, wenn wir uns bewusst werden, was wir eigentlich mit jeder Reiseentscheidung lostreten und dass unser Privileg eben nicht selbstverständlich ist.
In diesem Sinne: Plant euren Urlaub. Aber plant ihn umsichtig und kaut einfach mal ein bisschen auf den Gedanken rum. Vielleicht ist ja auch das Interview mit Martin Balas zu Nachhaltigkeit und Reisen, dass ich 2019 führen durfte hilfreich. Am Ende ist es halt wie mit allem, was uns lieb und teuer ist und was uns vor allem „normal“ vorkommt: Wir stehen in Zukunft vor vielen Veränderungen, die unser eigenes Leben betreffen. Und das ist nie leicht. Aber irgendwann müssen wir anfangen.