Leben ohne Auto – Corona Edition
Achensee. Urlaub zwischen Berg und See
Die Steilklippen der Côte d’Albâtre, der Alabasterküste zwischen Le Havre und Le Tréport in der Normandie sind nicht umsonst ein Touristenmagnet. Während man sich den Wind um die Nase wehen lässt und die Möwen kreischen hört, weiß man gar nicht ob man den Blick lieber auf die beeindruckenden Kreidefelsen oder das unfassbar blaue Meer richten soll. Am besten beides, im Wechsel.
Urlaub in der Normandie Sommer 2020
Im Sommer 2020, die Inzidenzzahlen waren unten, das Reisen wieder erlaubt, traten wir unseren lang geplanten Urlaub in der Normandie an. Unsere An- und Abreise begingen wir wie so oft mit dem Zug. Hinzugs ging es von München nach Rouen via Stuttgart und Paris und zurück von Caen ebenfalls via Paris und Stuttgart. Die Verbindungen sind super und wir schnupperten nach 9 Stunden bereits normannische Luft.
Wir verbrachten 14 Tage in der Normandie, für mich eine der schönsten Gegenden Frankreichs. Da wir uns in Teilen vegan ernähren war schnell klar, dass für Frankreich nur eine Ferienwohnung in Frage kommt. Außerdem wird es in Hotels zu fünft gerne schnell eng und extrem teuer. Ursprünglich, das hatte ich ja bereits im Artikel „Leben ohne Auto – Corona Edition“ erwähnt, wollten wir viel mehr mit Bus und Bahn unternehmen. Daher hatten wir uns Caen und Rouen als zentrale Orte mit guter Infrastruktur und vielen Zielen drum herum ausgesucht. Wir blieben je eine Woche in jeder Stadt.
Von dort aus erkundeten wir mit einem Mietwagen die Gegenden. Da dies unser erster Aufenthalt in der Normandie war, standen klassische Touristenmagneten natürlich auf unserer Liste. Durch die Reiseverbote außerhalb Europas und einem gut geplanten Tagesrhytmus waren wir äußerst selten dort, wo „alle“ waren und konnten mit viel Ruhe die Gegend erkunden.
Zwischen Saint-Valery-en-Caux und Étretat
Für die Alabasterküste nahmen wir uns zwei Tage Zeit. Wir besuchten die Küste in Form von Tagesausflügen, als wir in Rouen wohnten. Am ersten Tag fuhren wir von Saint-Valery-en Caux die Küste hinab bis Étretat hinunter. Von Rouen aus liegt Saint-Valery-en-Caux gut 60 km entfernt und bietet einen tollen Ausgangspunkt für die erste Etappe.
Grad früh morgens – die Fischer boten noch immer Fisch an – finden sich dort im Hafen Parkplätze und alles ist schön ruhig. Man kann am Steinstrand sitzen, die Möwen beobachten oder auf die Klippen steigen. Oben bietet sich ein herrlicher Ausblick. Und ein Stück Geschichte. Hier wird sowohl der Kapitulation der 51. britischen Infanterie 1940 gedacht als auch Dieudonné Costes, einem französischen Piloten, der 1930 bei seinem Flug von Paris nach New York über Saint-Valery-en-Caux hinweg flog.
Wir machten ein erstes Picknick (Das Konzept Picknick sollte uns den ganzen Urlaub in der Normandie über begleiten) im Schatten der Klippen, stiegen hinauf zum Denkmahl um den Ort und das türkisblaue Meer zu überblicken und fuhren dann recht bald weiter. Denn schnell füllte sich Ort und Strand. Ortsansässige, Touristen und Tagestouristen bevölkern in Gruppen den Strand, schließlich war es sehr warm, und auch ohne Corona wäre das nichts für uns. Also fuhren wir weiter Richtung Süden. Waren wir schon von den Klippen am Morgen beeindruckt und beseelt, war das nichts im Vergleich, was uns noch erwarten sollte.
In Fécamp machten wir erneut Rast und besuchten den Hafen. Hier war es natürlich bereits wesentlich voller und wir schlenderten nur kurz am Meer entlang, kehrten für ein Mittagessen ein und kauften neuen Proviant in einer der vielen Bäckereien. Ich wäre gerne noch die Klippen hinauf gestiegen, die hier schon noch einmal beeindruckender sind, aber mit Familie und vor allem Kindern muss man einfach Abstriche machen. So liefen wir stattdessen über die vielen Stege und schauten Anglern zu.
Da ich schon in Fécamp Rücksicht nehmen musste, bestand ich auf ausreichende Zeit und eine Besteigung der Klippen bei Étretat. Nach einigem Murren wurde das dann akzeptiert und während ich mit meiner ältesten Tochter auf dem Plataeu herum lief, Fotos schoss und mich vor Verzückung nicht mehr einkriegte, picknickten mein Mann und die beiden anderen Kinder auf den Klippen und ließen es sich mich Schoko-Croissant und Baguette gut gehen. Dass dies der beste Platz für ein Picknick war konnten sie nicht leugnen.
Étretat, wo die Alabasterküte am schönsten ist
Und so konnten wir den Tag an einem der schönsten Plätze ausklingen lassen. Denn während sich wegen der Hitze am Strand alle tummelten und drängten und auch die Restaurants voller und voller wurden, war es auf den Klippen angenehm kühl und auch leer genug, dass jeder ausreichend Platz hatte um die Landschaft in Ruhe zu genießen.
Wir hatten wundervolle Sicht auf das Porte d’Aval (der Elefantenrüssel) und die Aiguille d’Etretat (die Felsnadel). Diese beide Formationen wurden schon von Monet verewigt. Auch die Manneporte konnten wir bestaunen. Bei Niedrigwasser kann man hier hindurch gehen. Wir genossen aber nur die Sicht auf die Felsen und die Landschaft. Übigens wurde auch diese Felsformation von Monet gemalt. In der Normandie sind die Impressionisten allgegenwärtig.
Während zum Meer die Kreideklippen hundert Meter tief abfallen und ab und an kleine Buchten mit feinem Sand hervorblitzen erstreckt sich auf dem Klippenplateau ein wahres Grasmeer. Hier zu wandern muss wundervoll sein. Der GR21 von Le Havre nach Le Tréport führt hier vorbei. Man kann also die Alabasterküste auf 186km auch erlaufen. Aber auch wenn man nur ein wenig oberhalb der Klippen spazieren geht oder verweilen mag, ist die Gegend einfach traumhaft.
Zwischen Le Tréport und Veules-les-Roses
Am nächsten Tag begannen wir unsere Küstentour im Norden, in Le Tréport. Von dort fuhren wir gemütlich über Dieppe bis nach Veules-les-Roses. Mein Ziel war es, möglichst am späten Nachmittag dort anzukommen, damit das Licht schöne Fotos ermöglicht. Also hatten wir es nicht eilig. Da auch die Anfahrtszeit ab Rouen länger war (96km), war Le Tréport schon entsprechend gut besucht. Die meisten zog es an den Strand, denn das Thermometer kletterte auch heute auf über 30 Grad.
Das besondere in Le Tréport ist die Funiculaire. Die Standseilbahn verbindet bereits seit 1908 die Stadt mit der oberen Wohnsiedlung, seit 2006 fährt ein neuer Schrägaufzug auf der alten Strecke und befördert Einwohner:innen und lauffaule Tourist:innen in minutenschnelle auf die Klippen. Unsere Kinder zählen definitv zu letzteren und wünschten sich sehr, mit dieser kostenlosen Attraktion zu fahren. Mit dem Deal, den Weg aber hinunter zu laufen und eingedenk der Hitze, die am späten Vormittag herrschte, stimmten wir trotz Menschenschlange zu. Das jede Gruppe allein eine Gondel nutzen konnte, war zumindest gut für unser Abstandsbedürfnis. Witzig ist es auf jeden Fall, denn es fühlt wirklich an wie in einem Aufzug: Knopf drücken und los.
Eu und Dieppe
Oben angekommen blickten wir über die Bucht und die Unterstadt, spazierten auf dem Plateau herum und gönnten uns ein kaltes Getränk beim Café, das sicher gut Geld macht mit den vielen Toruisten. Dann stiegen wir die Treppen in die Unterstadt wieder hinab und genossen einen wundervollen Blick durch die Häuser aufs Meer. Nach einem Spaziergang am Strand zog es uns aber in den Schatten. Für weit über 30 Grad sind wir einfach nicht gemacht. Der Zufall wollte es, dass wir auf der Suche nach einem ruhigen und menschenarmen Schattenplätzchen das Chateau d’Eu im gleichnamigen Örtchen Eu entdeckten und dort im Schatten der Bäume ein herrlich langes Picknick machen konnten. Nach ein bisschen dösen, Karten spielen und einem Spaziertgang durch den Schlossgarten fuhren wir nach der größten Hitze weiter nach Dieppe.
Dort einen Parkplatz zu finden entpuppte sich als so hoffnungslos, dass wir fast einfach weiter gefahren wären. Inklusive Frust und genervt sein aller Beteiligten. Doch dann kamen wir per Zufall am Wegweiser zum Château de Dieppe vorbei und fuhren spontan dort hin. Oberhalb Dieppes steht diese Burg aus dem 15. Jahrhundert. Erbaut wurde sie auf Überresten aus dem 12. Jahrhundert, die Richard Löwenherz, Herzog der Normandie errichten lies. Heute beherbergt sie das Stadtmuseum. Auf der Wiese am Schloss steht ein riesiger Panorama-Bilderrahmen vor dem man sich mit Dieppe und Meer im Hintergrund ablichten kann.
Wir schlenderten nur um die Festung herum, bestaunten die Aussicht und machten uns dann auf den Weg in den Ort. Ein Stück den Strand entlang war klar: Nun gehts ab ins Wasser. Die Massen verteilten sich gut genug und die Kinder wollten nur noch ins kühle Nass. Der Steinstrand (fast überall an der Küste) sorgte zwar für einen Eierlauf bis in die Fluten, aber das konnte niemanden aufhalten. So kann man seinen Nachmittag auch verbringen. Statt Kultur und Schlösser lieber Wasserspaß und Abkühlung. Erst kurz bevor die Tore geschlossen wurden stiegen wir durch die Festung wieder hinauf zum Parkplatz. Den Umweg über die Staße wollte dann doch niemand gehen.
Im Reiseführer hatte ich von der Kirche St. Valéry in Varengeville-sur-Mer gelesen und überzeugte meinen Mann, dort hin einen Abstecher zu machen. Durch eine enge Straße inklusive Gegenverkehr fuhr er uns dort hin und ich war erlich froh, nicht am Steuer zu sitzen. Auf jeden Fall ist klar, warum Wohnwagen dort nicht durch fahren dürfen. Das nächste Mal würde ich zu Fuß dorthin laufen. Dafür war die Aussicht, wenn auch leicht diesig, wirklich toll.
Man kann über den Friedhof einmal um die Kirche herum gehen mit Blick auf die Kreisdefelsen und das blaue Meer. Während mein Mann und ich dies taten, blieben die Kinder, von der Aussicht völlig unbeeindruckt, lieber im Auto zurück. Es ist eben nicht jeder von Aussicht und Meer beeindruckt. Entsprechend kurz war unser Aufenthalt, in Erinnerung bleibt er dennoch (und sei es nur wegen der engen Straße).
Veules-les-Roses
Der letzte Abstecher auf unserer Fahrt entlang der Alabasterküste der Normandie ging dann nach Veules-les-Roses. Viel besucht, fotografiert und gemalt wird dieser Ort an der Veules, dem kürzesten Fluss Frankreichs, und entsprechend viele Menschen schlendern durch die Straßen und Gassen und bestaunen die schönen Häuser und Gärten dieses kleinen Dorfes.
Gerne wäre ich viel länger geblieben, allein die Kinder waren hungrig, der Mann laufmüde und die Geduld am Ende. So wurde aus meinem Plan, lange im goldenen Abendlicht zu fotograferen leider nichts. Natürlich war ich echt frustriert. Aber am Ende half auch das nichts. Also machten wir nur einen kurzen Spaziergang in der Abendsonne am Kanal entlang und gingen dann hinab an den Strand, Pommes essen und das Meer anschauen. Dabei gibt es weitaus mehr schöne Stellen in diesem kleinen Ort zu entdecken, als wir es getan haben. Am Ende bedeutet Familienurlaub aber auch Kompromisse machen, Frust aushalten, Pläne verwerfen und Rücksicht zu nehmen. Auf den Wunsch zu fotografieren genau so wie auf müde Beine und leere Bäuche.
Sowieso habe ich von der Côte d’Albâtre nicht alles sehen können. Dafür reichen zwei Tage nicht aus, es braucht Zeit zum Verweilen. Auch das Hinterland abseits der Küste bietet viele Sehenswürdigkeiten und andere Jahreszeiten bieten nochmals neue Facetten. Von daher werde ich mir diese Gegend auf die Liste setzen, die ich einmal ohne Kinder besuchen möchte. Die Normandie hat mich auch jenseits der Alabaserküste begeistert. Über unsere Tage in und um Rouen und Caen sowie unseren Besuch am Mont Saint Michel erzähle ich ein andern mal.
2 Comments
Soooo schön! Der perfekte Post um direkt auf Gedankenreise zu gehen! Merci 🙂
Danke. Ich habe mich auch verloren beim Beitrag schreiben. 🙂
Liebe Grüße
Janine