Borkum. Inselurlaub in Zeiten von Corona
Normandie. Unterwegs an der Alabasterküste
Ein Leben als Familie ohne Auto klingt für viele krass. Seit Sommer 2017 besitzen wir kein Auto mehr. lm März 2019 habe ich darüber im Beitrag „Wie funktioniert ein Leben ohne Auto?“ ausführlich erzählt. Inzwischen würde ich das ganze „ohne eigenes Auto“ nennen, denn natürlich nutzen wir auch die Technologie Automobil, nur nicht als eigenen Besitz.
Wie geht es uns also nach 3,5 Jahren ohne Auto? Bereuen wir es oder macht es neue Probleme? Immerhin verändern sich Lebenssituationen ja. Nachdem ja nun seit einem guten Jahr eine Pandemie das Leben beherrscht, mache ich daraus eine Corona Edition. Denn unter Pandemiebedingungen ist auch in einem gut angebundenen Ort das autolose Leben eine neue Erfahrung.
Der Alltag ändert sich eigentlich nicht
Durch die Pandemie ist unser Bewegungsradius noch mehr geschrumpft und wir sind – so wir überhaupt mobil sind – zu Fuß oder per Rad unterwegs. Der normale Einkauf im Ort funktioniert weiterhin genau so wie immer. Was uns nicht möglich ist, sind so Großeinkäufe. Das haben wir in den letzten Monaten einmal durch eine Lieferung vom Händler und zweimal durch Mitfahrt bei meiner Mutter gelöst. Die ist nämlich vor ein paar Monaten in unsere Nähe gezogen und das hat in Sachen Pandemie ein bisschen geholfen. Wobei eigentlich nie wirklich Bedarf an Großeinkäufen bestand. Hier im Ort war die Infektion nie so hoch, dass man nicht mehr ohne mulmiges Gefühl einkaufen gehen konnte. Einzig der Weihnachtseinkauf war wirklich dank Auto meiner Mutter entspannter. Die Kinder fuhren, als noch Schule war, auch weiterhin mit den Öffis, der Mann war wie immer mit dem Rad unterwegs zur Arbeit, wenn überhaupt. und auch ich nutzte – wenn auch extrem selten – Bus und Bahn.
Für mich wurde Bahnfahren zum eigentlichen Problem
Und da kommen wir zum Knackpunkt. Bahn fahren. Mich haben die Hygienekonzepte 2020 der Bahn nicht überzeugt. Alles wirkte so wischiwaschi. Keine Abstände, kein Resiervierungszwang. Daher haben wir uns in unserem Borkum Urlaub gegen die ursprünglich geplante Anreise per Bahn und für ein Leihauto entschieden. Ich fand es eh irgendwie seltsam den Urlaub anzutreten, da war mir persönlich die Sicherheit im Auto lieber.
Unser Sommerurlaub ging dann nach Frankreich in die Normandie. Reisen war wieder erlaubt und dieses mal fuhren wir auch mit der Bahn, die Zahlen waren gut. Die Anzahl der Reisenden war außerdem gering und trotz Maske hat das Bahnfahren super geklappt. Einzig die Strecke Paris l’est – Rouen war fürchterlich. Feierabendverkehr und alles voll. Abstand? Keine Chance. Aber wir haben wir dennoch Abstriche gemacht in unseren Urlaubsplänen. Eigentlich wollten wir so viel wie möglich per Bus und Bahn in der Normandie ansehen. Das haben wir uns dann aber eben wegen Corona nicht getraut und lieber vor Ort ein Auto geliehen.
Und tatsächlich ist das eines der Dinge unter denen ich echt leide. Mir fehlt das sorglose Bahnfahren. Das habe ich immer gemocht, bin viel gefahren und merke wie sehr es mich schmerzt, nicht mehr einfach so genüsslich unterwegs sein zu können. Ich wünsche mir dieses Erleben wieder zurück und weiß jetzt schon, wie sehr ich die erste sorgenfreie maskenlose Bahnfahrt im ICE feiern werde!
Und dann sind da Dinge, die andere tun können …
Zum Beispiel bei ihrem Lieblingsrestaurant vorbei fahren und Essen to go holen. Wir hingegen waren auf unseren Ort zurück geworfen. Was hatte ich 2020 im April Bock auf vegane Burger. Aber auf dem Land war da nix zu wollen. Kurzfristig hatte ich überlegt, ob ich das Essen per Rad hole, nur waren die Regelungen so hart, ich hätte es nicht irgendwo sitzend essen können. Und nach 30 Minten Fahrt schmeckt auch der beste Burger nicht mehr.
Auch wie alle anderen mal eben zum spazieren gehen woanders hinfahren war eben nicht drin. Weder Seen noch Berge waren für uns erreichbar (mit dem Regionalzug hab ich mich einfach nicht getraut). Also blieben und bleiben Spaziergänge im und um den Ort. Das ist ok. Ist ja nicht so, als ob es immer so bliebe.
Im Gegensatz zu vielen anderen war es auch nicht möglich, mal eben mit dem Auto in die Stadt fahren um dort Bücher in die Staatsbibliothek zu bringen während die Inzidenzzahlen durch die Decke jagten. Das beschehrte mir eine Radtour von 40km, weil Öffis fahren wollte ich nicht. Danach entlieh ich nur noch postalisch.
Worüber ich extrem froh bin: Im Ort zum testen gehen zu können. Denn mal eben zu einem großen Corona-Testzentrum zu fahren, gar ein drive thru, ist für uns nicht ohne weiteres möglich. Wie das dann beim Impfen wird, werden wir sehen. Am Ende gibt es immer noch meine Mutter und ihr Auto. Und soviel Wahrheit muss sein: Als Notfallmittel ist das grad unter Pandemiebedingungen super. Unser früheres Backup, das Leihauto, ist derzeit so einfach nicht buchbar.
Ein Fazit nach 3,5 Jahren ohne eigenes Auto?
Es ist für uns einfach weiterhin möglich. Wir brauchen kein eigenes Auto. Aber wir haben eine Notfall-Lösung (ob nun Mamas Auto oder Leihwagen) für Momente, in denen es nicht anders geht. Unter Corona gesellte sich ein unwohlsein in Öffis in unser Leben, was uns vor Herausforderungen stellt. Wir sind natürlich dadurch noch mehr auf einen sehr kleinen Radius zurückgeworfen. Aber das hat uns nie extrem gestört. Derzeit kann man eh nirgendwo hin gehen ohne schlechtes Gewissen. Und irgendwann fühle ich mich auch in Bus und Bahn wieder wohler. Ganz bestimmt.
Was geblieben ist: Wir sparen wirklich Geld. Bei unserem Monatsticket wird der Mehrpreis zu München Stadt vom Landkreis übernommen. Und dank der neuen 365Tage/€ Tickets im MVV für die Kinder sind diese auch maximal mobil für wenig Geld. Und ich freue mich jetzt schon den dritten Winter darüber keine Scheiben kratzen zu müssen. Ha!
5 Comments
Genauso geht es mir auch. Ich bin seit Monaten nur noch im Umkreis unterwegs. Zum Glück haben wir den Wald vor der Tür. Nur leider ist der Hund nicht mehr so mobil um 6 Stunden Touren zu unternehmen, so dass ich zum Beispiel nicht mehr zum Fluss laufen kann. Und das Essens Problem haben wir auch. Wir wohnen zwar in der Großstadt, aber so, dass hier zu uns nix hinliefert. Zur Arbeit fahre ich zum Glück mit dem Rad. Ich vermisse das sorgenfreie Bahnfahren auch sehr. Überhaupt Bahn fahren. Freue mich aufs Frühjahr, dann sind auch wieder längere Touren mit dem Fahrrad drin. Das wird schön.
Ich trau’s mich fast nicht zu sagen, aber – mei, hast Du ein 2020 vor Dir….:D
Das verstehe ich leider nicht.
LG Janine
Hallo Janine,
wir haben während der Pandemie final und schneller als geplant den Sprung in die Autofreiheit gewagt. Zuvor bin ich die 20km zur Arbeit mit der Bahn gefahren. Seit Mai aber immer mit dem Lastenrad, eben weil ich nicht mehr mit den Öffis unterwegs sein wollte. Ich freue mich sehr über den elektrischen Rückenwind, der mir das so einfach ermöglicht.
Deswegen schreibe ich mittlerweile auch über den autolosen Familienalltag mit kleinen Kindern abseits der Großstadt. Ich bin überzeugt, dass viele das nämlich auch können und es sich nur noch nicht vorstellen können!
Viele Grüße und weiterhin alles Gute
Ariane
Liebe Ariane,
wie cool, dass du dann nicht aufs Auto, sondern Rad umgestiegen bist. Das Rad hat ja unter Corona tatsächlich großen Anklang gefunden. Ich glaube auch, dass viel mehr Menschen umsteigen können, als sie glauben. Den anderen fehlt es an einem guten und finanziebaren ÖPNV. Und das muss dringend verändert werden, damit wir wegkommen von „jeder hat mindestens ein Auto“.
LG Janine