Wenn wir über Afrika reden
Borkum. Inselurlaub in Zeiten von Corona
Man soll ja öfter Dinge tun, die man noch nie getan hat. Sich etwas zutrauen, einfach mal machen. Ich Angsthase habe dafür aber immer lieber jemanden an meiner Seite und überzeugte deshalb meine Freundin Kathrin, mit mir 2019 eine Woche wandern zu gehen. Und obwohl eine Alpenüberquerung unser Wunsch gewesen ist, landeten wir schlussendlich aus organisatorischen Gründen auf dem Schluchtensteig. Rückblickend bin ich nicht traurig darüber, denn der Schluchtensteig ist wirklich schön. Und wer weiß, ob wir konditionsmäßig die Alpentour geschafft hätten.
Der Schluchtenssteig – ein Top Trail, auch für Ungeübte
Der 119km lange Schluchtensteig liegt im Südschwarzwald und gehört zu den Top Trails of Germany, einer Zusammenfassung von 14 besonders schönen Wanderwegen Deutschlands. Richtig toll ist, dass man öffentlich sowohl den Start- als auch den Endpunkt erreicht und damit das Auto getrost zuhause stehen lassen kann. Das macht die Wanderung noch ökologischer und am Ende kann man seine müden Beine entspannt im Zug ausstrecken und sich erholen, statt mit dem Auto über die Autobahn heim zu stressen.
Die komplette Wanderung auf dem Schluchtensteig dauert sechs Tage plus An- und Abreisetag. Man läuft gut 20km pro Tag und die Tour ist nicht ganz leicht, denn es sind doch einige Steigungen auf der Strecke, die es – teilweise recht schnell – zu überwinden gilt. Da wir aber lediglich eine durchschnittliche Kondition und auch nicht wirklich für diese Tour trainiert haben, kann ich guten Gewissens sagen: Wer eine gewisse Grundfitness hat, der kann den Schluchtensteig gehen. Und wer sich nicht zutraut, das Gepäck täglich mitzunehmen, der kann sogar einen Gepäcktransport von Hotel zu Hotel buchen. Für den Wanderweg gibt es nämlich diese Option, genau wie die komplette Buchung mit Gepäcktransport und Hotelunterbringungen über einen Anbieter abzuwickeln. Da dies aber natürlich viel mehr kostet, als selbstständig zu buchen, haben wir darauf verzichtet, in Eigenregie gebucht und unser Gepäck artig selbst geschleppt.
Unterwegs auf dem Schluchtensteig
Der Steig beginnt im kleinen Örtchen Stühlingen. Viel los ist hier nicht. Überhaupt steppt im Südschwarzwald auf dem Land nicht grad der Bär. Dafür ist die Landschaft wirklich herrlich und düster ist der Schwarzwald hier ganz und gar nicht.
Am ersten Tag ging es entlang der Wutach und über die Wutachflühen (Flühen bedeutet Felsen) Richtung Blumberg. Was zunächst als einfacher Weg zwischen Stühlingen und Weizen beginnt, wird nach dem Bahnhof der Sauschwänzlebahn zur Herausforderung. Ab hier braucht man schon gute Kondition und läuft sich gleich mal so richtig ein. Die Wutachflühen machen ihrem Namen alle Ehre (Flühe bedeutet Felsen) und es geht wortwörtlich über Stock und Stein bergauf. Danach zieht sich der Weg entlang von Feldern und Forstwegen bis Blumberg. Wenn man den letzten und krassesten Aufstieg kurz vor Blumberg auf die Ottilienhöhe geschafft hat, lockt übrigens eine direkte Abkürzung in den Ort. Diese haben wir auch genutzt, denn es drohte ein Gewitter und wir waren so geschafft, dass wir eine Schleife um den Ort um keinen Preis mehr laufen wollten.
Schlechtwetter und Kondition
Zwar holte uns das drohende Gewitter an diesem Tag nicht mehr ein, dafür war am Folgetag Land unter. Sehr ärgerlich, schließlich geht es auf der zweiten Etappe durch die Wutachschlucht. Ganz mutig und mit dem Gedanken, vielleicht Glück zu haben, zogen wir dennoch los und schafften es – pitschpatsch nass – noch bis zur Wutachmühle. Nach einer heißen Suppe und Kaffe am Kiosk beschlossen wir, Schlucht hin oder her, den Bus zu nehmen. Denn an der Wutachmühle kurz vor der Schlucht ist der einzige Ort, doch noch abzubrechen. In der Schlucht selbst muss man laufen bis zum Schluss. Sowohl Wetter und Erschöpfung vom Vortag waren einfach gegen uns. Wir kürzten also ab, fuhren direkt zur Schattenmühle und verpassten „den schönsten Teil des Schluchtensteigs“, wie uns einer unserer Mitwanderer später erzählte. Zumindest wäre die Wutachschlucht der schönste Teil der Etappe gewesen, denn bis zur Wutachmühle war der Weg doch eher trist, sieht man vom kurzen Stück über die Stiegen in der Schleifenbachschlucht ab.
Bei Schlechtwetter kann man von der Schattenmühle, in der wir übernachteten (rechtzeitig reservieren!), übrigens gut wandern. Entweder kann man auch in die Wutachschlucht einsteigen oder aber die Lothenbachklamm entdecken.
Und immer wieder ein unverhoffter Anstieg
Zum Glück war uns das Wetter an Tag drei wohlgesonnen. Auch die kleine Pause am Vortag half ungemeint und so schafften wir die 18km von der Schattenmühle, die übrigens sehr idyllisch direkt am Schluchtausgang liegt, bis nach Oberfischbach nahe Schluchsee ohne große Probleme. Wir machten Rast am Räuberschlössle und an der Rötenbachmündung, konnten uns an der Natur gar nicht satt sehen und kamen so sehr langsam voran. Das brachte uns auf dem letzten Stück in Bedrängnis, da wir rechtzeitig im Hotel sein mussten. Daher blieb nur eine kurze Rast in Lenzkirch bevor wir stetig bergauf über den Geopark Richtung Oberfischbach liefen. Ausgerechnet hier, kurz vor dem Ziel ging es noch einmal steil bergauf. In unserem knappen Schluchtensteig – Reiseführer stand davon leider nichts und so quälten wir uns die letzten Meter noch hoch hinauf auf den höchsten Punkt der Wanderung.
Eine unschöne Überraschung, 33 Grad und der See ruft
Wie ich schon schrieb hatte ich mich um die Buchung all unserer Unterkünfte selbst gekümmert. Um Kosten zu sparen beschloss ich bei der Planung, auch Jugendherbergen mit einzubeziehen. Dass die JH St Blasien-Menzenschwand 20km entfernt vom Schluchtensteig gelegen ist, merkten wir dann am Abend vor der Etappe. Wir mussten erkennen: Wandern wir die ganze Etappe, müssen wir entweder zu einer bestimmten Zeit in St. Blasien ankommen damit ein letzter Bus uns zur JH fährt oder weitere 20km laufen. Da aber auch vom Schluchsee aus direkt ein Bus zur JH fährt, beschlossen wir die 33 Grad für einen ausgiebigen Tag am See zu nutzen und nur einen Teil der gesamten Strecke zu wandern.
Der Weg von Oberfischbach zum Schluchsee ist vor allem durch den Anstieg zum Bildstein geprägt, der einen wunderschönen Blick bis zu den Alpen bietet. In Aha am See angekommen wurden wir erneut überrascht, denn der Bus fährt nicht in Ferienzeiten. Statt direkt von Aha zur Jugendherberge zu fahren, mussten wir nun einmal unten um den See mit Bahn und Bus reisen. Also liefen wir weiter nach Schluchsee, dem gleichnamigen Ort am See, und stiegen dort nach verdienter Pizza und Sprung in den See in den Zug nach Seebrugg und dort in den Bus nach St. Blasien und weiter nach Menzenschwand.
Das dieser Tag mit Überaschungen noch nicht fertig war, merkte ich am Abend in der Jugendherberge. Diese ist nämlich ein altes Bauernhaus mit einer Deckenhöhe von etwa 1,90 zwischen der Balken. Aufrecht stehen war hier für mich fast unmöglich. Dafür war die Atmosphäre gemütlich, das Essen gut und das Bier am Abend eine Entschädigung.
Schottland oder Lündeburger Heide?
Ab St. Blasien, das wir mit dem Bus früh morgens erreichten, ging es erneut berg auf. Mit Blick über den Ort mit seinem überdimensionierten Dom ging es hinauf auf den Lehenkopf. Dort steht ein Aussichtsturm von dem man einen wunderbaren Rundumblick hat. Leider war es nass, grau und vor allem extrem windig auf dem Lehenkopf, so dass wir uns nicht lange aufhalten konnten.
Zum Glück wurde das Wetter zunehmend besser und zwischenzeitlich fühlten wir uns wie in Schottland oder der Lüneburger Heide, als wir über Wiesen und Weideflächen liefen. Leider war der Blick auf den Feldberg verhangen und auch die Alpen waren vom Kreuzfelsen nur schemenhaft zu sehen. Vom Kreuzfelsen aus führt der Weg über die Hochfläche bis nach Ibach, man blickt immer wieder ins Tal und auf einzelne Höfe und kleine Orte. Das letzte Stück Weg in die kleine Hohewehraschlucht entschädigte für die fehlende Weitsicht und die langen Höhenwege komplett.
Letzter Tag, letzte Kräfte
Von Todtmoos, das schon bessere Tage erlebt hat und dessen absolutes Highlight der Minigolfplatz mit seinen Besitzern ist, sind es 22km bis Wehr. Die längste Etappe des Schluchtensteigs ist ausgerechnet die letzte. Ob das nun vorteilhaft (eingelaufen) oder problematisch (letzte Kraftreserven) ist, ist vermutlich typabhängig. Wir zumindest waren inzwischen eingelaufen und trotzdem am Ende unserer Kräfte.
Einige Menschen sagten, die letzte Etappe sei überhaupt nicht schön und zumindest Streckenweise erschien sie uns auch etwas sehr gewollt, als sei man überein gekommen, dass Todtmoos kein guter Entpunkt ist. Der erste Abschnitt besticht durch simple Forstwege und recht schnell ist von der Stille des Schwarzwaldes nicht mehr viel übrig, da der Weg nahe einer beliebten Motorradstrecke entlang läuft. Doch der kleine Seitenarm der Wehraschlucht und das Laufen am Hang entlang auf schmalen Wegen war ein Genuss. Um an den Hang zu kommen, mussten wir natürlich wieder einmal schnell bergauf. Und dann ging es immer hoch und runter mit Aussicht über die Wälder bis zum Stausee vor Wehr. Wie am ersten Tag saß uns auch am letzten das Gewitter im Nacken und in strömendem Regen, starkem Wind und ersten Donnerschlägen kamen wir nass und müde aber auch sehr stolz in Wehr an. Zum Glück lag unser Hotel direkt am Ortseingang und bot sowohl leckeres Essen als auch ein sehr gemütliches Zimmer. Wir hätten übrigens keinen Kilometer mehr laufen können.
Wichtige Infos rund um die Schluchtensteigwanderung
Wie schon geschrieben sollte man eine gewissen Grundfitness besitzen, denn der Weg ist durch Länge und Steigung nicht leicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Hotels und Gastronomien nicht unendlich lange am Abend offen haben. Wer also zu spät ankommt bekommt eventuell kein Abendessen mehr. Das Problem ist nämlich das fehlende Personal. So schön der Südschwarzwald zum Wandern ist, so unattraktiv sind die kleinen Ortschaften am Rande des Weges für Arbeitnehmer*innen.
Kann man sich vegan ernähren auf der Wanderung?
Generell kann man ja alles, aber leicht ist es für Veganer*innen auf dem Schluchtensteig nicht. Für mich selbst war klar: Erste Priorität ist satt werden. Wer täglich wandert braucht Kalorien und oftmals stand neben Salat maximal noch Kartoffel oder Pommes zur Auswahl. Vegetarisch ist inzwischen auf im Südschwarzwald kein Problem mehr, vor allem weil viele Wanderer*innen Vegetarier sind. Vereinzelt stehen auch vegane Optionen auf der Speisekarte, aber das nur bei ausgewählten Restaurants.
Es empfiehlt sich, Aufstriche mitzunehmen und mit den Unterkünften zu sprechen. Doch rein vegan ist nicht so einfach. Viele sind tatsächlich nicht darauf vorbereitet oder können sich aufgrund der wirtschaftlichen Lage keine große Auswahl leisten. Es bedarf also zumindest einer guten Vorausplanung, wenn man sich vegan ernähren will.
Was muss ich beachten?
- Nehmt Gamaschen mit. Mir ist nämlich das Wasser in die Schuhe gelaufen am zweiten Tag. Das macht keine Freude. Auch gut und wichtig ist eine Wegkarte. Nach einem Unwetter können Teile des Weges gesperrt sein und nicht immer sind die Umleitungen gut ausgeschildert. Eine Karte hilft zur Orientierung. Außerdem sind Stöcke sehr empfehlenswert.
- Klärt die Ankunftszeiten mit den Unterkünften: wie lange ist Essen möglich? Bis wann ist Check in gegeben? Wie gesagt leiden viele Unterkünfte am Schluchtensteig unter Personalmangel und schließen früher. Wer also nicht so schnell zu Fuß ist, sollte das zumindest kurz telefonisch klären. Die meisten Unterkünfte sind aber sehr entspannt oder passen sich etwas an. Außerdem braucht es unter tags Verpflegung, denn Einkehrmöglichkeiten gibt es so gut wie keine.
- Lasst euch in jeder Unterkunft die kostenlose Konus Gästekarte ausstellen. Die meisten Hotels bieten sie von sich aus an, andere lassen sich bitten. Mit dieser Karte darf man nämlich kostenlos das ÖPNV Netz benutzen. Solltet ihr an einer Stelle abbrechen müssen, spart ihr so Geld. Schaut außerdem bei den Fahrplänen der jeweiligen Gebiete nach, wo und wann es Busverbindungen zwischen den einzelnen Etappen gibt. Hier ist ein Überblick über die Anbieter aufgelistet. Grad unter der Woche und zu Ferienzeiten ist die Busverbindung nicht ganz so optimal.
Mein Fazit? Der Schluchtensteig ist eine wirklich schöne Wanderung durch eine sehr beeindruckende Landschaft. Der Weg ist fast immer sehr gut ausgeschildert und mit Grundkondition in sechs Tagen auch mit Gepäck laufbar. Spontane Änderungen oder Abkürzungen des Weges sind mit etwas Vorausplanung durchaus machbar. Generell kann ich nur jeder und jedem ans Herz legen, einmal ein paar Tage am Stück durch Wälder zu laufen.