Reisefreiheit dank Reisepass
Wie funktioniert ein Leben ohne Auto?
So ganz ohne Auto und Flugzeug von München nach Turku (Finnland) reisen und in Südfinnland Urlaub machen? Und das ganze auch noch mit drei Kindern? In Zeiten in denen man für Städtetrips mal eben und für sehr wenig Geld in den Flieger steigen kann, mutet unser letzter Sommerurlaub vielleicht etwas abenteuerlich an. Dennoch möchte ich die Art, wie wir reisen nicht missen.
Für uns ist klar: In viele Regionen und Länder innerhalb Europas kann man sehr gut ohne Flugzeug reisen und so entschieden wir uns im Sommer 2018 dafür unseren Urlaub in Südfinnland mit dem geringstmöglichen Emissionsverbrauch anzugehen. Statt innerhalb von 2,5 Stunden Flugzeit in Helsinki zu landen und dort ein Auto zu mieten, entschieden wir uns für eine entschleunigte An- und Abreise per Bahn und Fähre und bewegten uns auch innerhalb Südfinnlands fast ausschließlich mit Bahn und Bus fort.
Für wen der Weg nicht das Ziel ist und nur zählt, möglichst schnell an einem Ort anzukommen, für den ist das Reisen mit Zug und Fähre sicher nicht die erste Wahl. Dabei bietet sie einen ganz anderen Ansatz ans Reisen. Wenn man den Blick auf An- und Abreise verändert, sie als Bestandteil des Urlaubs sieht, dann beginnt dieser schon beim Verlassen des Hauses und man bekommt die Chance, viel mehr zu sehen und zu erleben.
Wenn der Weg Teil des Ziels ist – Die Anreise
Wie unsere Fortbewegung zwischen München und Turku und innerhalb Finnlands aussah, möchte ich euch heute hier beschreiben. Vielleicht bekommt ihr ja auch Lust, diese Art des Reisens mal in Betracht zu ziehen.
Wir fuhren bereits 2010 auf ähnliche Weise nach Finnland, damals mit zwei Kleinkindern und Baby im Bauch. Daher wussten wir, dass die Anreise gut machbar ist. Damals fuhren allerdings noch Nachtzüge von München nach Kopenhagen und wir konnten sehr zügig und bequem bis zur Fähre in Stockholm reisen. Diese Verbindung wurde leider im Zuge der Kürzungen bei der Deutschen Bahn eingestellt und nach der Übernahme der Nachtzüge durch die Österreichische Bahn fährt der Nachtzug leider nur noch bis Hamburg. Für uns war klar: In einem Rutsch von München nach Stockholm wird uns zu viel. Theoretisch ist es möglich in 23 Std. bis zur Fähre zu kommen. Aber wer will das? Weder ist diese Länge entspannend noch sind dort die möglichen Verspätungen eingeplant.
Per Zug nach Stockholm
Also fuhren wir die Verbindung München – Hamburg per Nachtzug, hatten einen bewusst längeren Auftenhalt in Hamburg mit Frühstück und kleinem Spaziergang und fuhren weiter per Zug bis Malmö. Dort blieben wir zwei Nächte um uns die Stadt anzuschauen. Wir haben es nicht bereut. Denn schon bei unserer ersten Reise hielt unser Zug in Malmö und wir dachten bei uns, hier mal aussteigen wäre schön. Nach einer ausgiebigen Stadterkundung ging die Reise weiter durch Schweden bis Stockholm und dort nach einer Nacht im Hotel am Hafen weiter mit der Fähre.
Mit der Fähre nach Turku
Fähren und Kreuzfahrtschiffe sind unfassbare Emissionsschleudern und so wollten wir den kürztmöglichen Weg mit der Fähre zurücklegen. Deswegen fuhren wir nicht ab Travemünde, sondern eben erst ab Stockholm. Die Überfahrt dauert gute 11 Stunden (ab Travemünde 29 Std) und kostet ohne Kabine (Tagfahrt) und Auto sehr wenig Geld. Dafür ist das Essen an Board um so teurer.
Da ich nicht über Nacht auf einer Fähre sein mag, fuhren wir wie bereits 2010 tagsüber und genossen das Kinder-Animations-Programm. Das Schiff erkunden, an ein paar Shows teilnehmen, essen und ausruhen lassen die Zeit auf dem Schiff recht schnell vergehen und so kamen wir am Abend entspannt in Turku an.
Unterwegs in Südfinnland
Wir waren auch dieses Mal ziemlich viel unterwegs, da wir möglichst viel sehen wollten und uns einfach nie entscheiden können, wo wir „sesshaft“ Urlaub machen wollen. Zudem ist Familienbesuch auch immer Pflichtprogramm, wenn wir in Finnland sind. So reisten wir von Turku nach Helsinki, weiter nach Lappeenranta, Savonlinna und von dort nach Lahti, Tampere und Pori.
In Finnland selbst ist Reisen ohne Auto problemlos möglich. In Südfinnland ist das Schienennetz gut ausgebaut und vor allem fahren Busse jede erdenkliche Milchkanne an.
Das Buchen von Tickets ist im Vorfeld wirklich zu empfehlen. Zugtickets kann man problemlos online buchen, bei Bustickets ist es etwas schwieriger, da es so viele Anbieter gibt. Manche Anbieter haben leider auch keine Onlinebuchung oder gar englischsprachige Webseite. Da muss man sich ein bisschen durchfuchsen. Oder vor Ort buchen. Auch das ist möglich und Mitarbeiter in den Unterkünften helfen sehr gerne und wissen oft Bescheid.
Da wir aber eh nicht in die entlegensten Ecken reisen wollten, haben wir uns an den Anbieter Onnibus gehalten. Dieser bietet Tickets online an und die Preise und die Qualität der Busse waren wirklich super. Ein guter Tip ist auch, vorab via Google Maps oder Rome2Rio zu schauen, welche Transportmöglichkeiten es zwischen zwei Orten eigentlich gibt.
Auch innerhalb der Städte kommt man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hervorragend zurecht. Es gibt Apps mit denen man die Position des jeweiligen Busses finden kann, Zeitanzeigen an allen Haltestellen und immer hilfsbereite Menschen, die einem beim Finden der richtigen Linie und Tickets behilflich sind. Nebenbei sei erwähnt, dass sehr viele ältere Finn*innen deutsch sprechen können und die Jüngeren fast alle Englisch sprechen. Kommunikation ist also kein Problem.
Es gibt natürlich einen Haken
Natürlich gibt es auch einen Haken, wenn man ohne Auto in Finnland unterwegs ist. So richtig ins Nirgendwo, am besten noch in eine einsame Hütte kommt man nicht so ohne weiteres. Jedenfalls waren wir bei der Suche nicht sehr erfolgreich. Das Problem ist ja meist nicht nur die An- und Abreise zur Hütte im Nirgendwo, sondern auch die Versorgung während des Aufenthalts. Ich weiß, dass es Hütten gibt, von denen man per Rad oder Boot zu einem Lebensmittelgeschäft kommt. Für uns kam das aber aufgrund der Kinder nicht wirklich in Frage. Und da ein Auto leihen so unverschämt teuer ist, hätte sich diese Option auch nicht gelohnt.
Wenn du also anstrebst, irgendwo in einer einsamen Hütte zu wohnen, dann solltest du dir gut überlegen, wie du dort hin kommst. Für uns war es nicht so problematisch, da wir Familie in Finnland haben die uns auf ihre Inseln einluden. Auch diese liegen natürlich weiter draußen und es stellt sich die Frage der Anreise. Für den Besuch auf der ersten Familieninsel durften wir das Zweitauto aus der Stadt nutzen und bis zum Anlegeplatz des Ruderboots fahren. Denn der nächste Bushalt liegt ca 1 Std Fußmarsch vom See entfernt. Beim Verwandtenbesuch auf der zweiten Insel fuhren wir bis an den See per Bahn und wurden dann mit dem Auto abgeholt um zur Anlegestelle 10km weiter draußen zu fahren.
Auf gleichem Weg zurück kann trotzdem abwechslungsreich sein
Auch unser Rückweg ging wieder über Turku per Fähre nach Stockholm, von dort via Zug nach Kopenhagen, Hamburg und München. Und auch hier beschlossen wir, die Bahnreise Stockholm – München nicht in einem Stück zurück zu legen. Diesmal übernachteten wir in Stockholm (nach Ankunft der Fähre), in Kopenhangen (inkl Stadt angucken) und Hamburg (kurz durchschnaufen).
In Stockholm hätten wir noch einen Tag anhängen sollen. Jetzt bin ich nämlich angefixt und muss nochmal wieder kommen. Und auch Kopenhagen allein ist schon eine Reise wert. Aber auch ein langer Urlaub wie unserer hat einfach zeitliche Grenzen und so blieb es bei kurzen Stippvisiten in beiden tollen Städten.
Eine andere Art des Reisens
Klar, diese Art der Reise ist so ganz anders, als die gewohnte Art in der die An- und Abreise keine große Rolle spielt. Wir müssen zwangsläufig entschleunigen. Den Fokus auch auf den Weg legen und ihn einbinden in den gesamten Urlaub. Wir müssen außerdem immer gut packen – jeder muss so viel wie möglich selbst tragen, jeder hat einen Rucksack. Es braucht Orte zum Waschen von Wäsche und ein Verständnis davon, mit möglichst geringem Gepäck zu reisen. Das alles ist aber – auch mit Kindern – möglich. Schließlich waren wir auch mit Kleinkindern und schwanger schon genau so unterwegs. Kinder brauchen sehr viel weniger, als wir oft denken und wenn man sich die Hostels und Appartmens so aussucht, dass es Waschmöglichkeiten gibt, klappt es wirklich gut.
Finanziell ist der Unterschied ebenfalls nicht so groß. Denn im Flugzeug kostet jedes Kind, in den Zügen – vor allem in Dänemark, Schweden und Finnland – fahren alle Kinder (auch >14 Jahre) kostenlos oder zu einem stark ermäßigten Preis. Klar ist aber: Man muss sich vorab informieren, Sparpreise finden und gerade das ist bei den europäischen Bahnanbietern nicht einheitlich. Leider. Ich werde dazu auf jeden Fall nochmal gesondert etwas schreiben.
Uns jedenfalls taugt diese Art des Reisens total und auch unsere Kinder lieben solche Reisen. Wenn sie auch diesmal über die zu häufigen Ortswechsel in Finnland geschimpft haben. Der nächste Urlaub wird also einer sein ohne viel rumreisen. Aber wieder mit Anreise per Bahn. Wir freuen uns darauf.