Ein Jahr keine Kleidung kaufen. Die ersten vier Wochen und die Erkenntnis, was unbewusst abläuft. #IchKaufNix
Ein Jahr keine Kleidung kaufen. Der erste Kauf nach fünf Monaten und ein Bescheisserle zum Geburtstag. #IchKaufNix
Gelber Sack und grüner Punkt, das kennen wir hier alle. Regelmäßig trennen wir unseren Müll und überlegen vielleicht fieberhaft, was genau jetzt in diese Tonne gehört. Plastik? Verpackung? Zahnbürste nein, deren Verpackung ja? Wir bemühen uns immer wieder und fühlen uns vielleicht sogar gut. Immerhin trennen wir unseren Müll nach bestem Wissen und Gewissen und sorgen so dafür, dass er recycelt wird.
Deutschland hat eine Kunststoff-Recyclingquote von etwa 55% (2019)
Das klingt es doch toll! Doch man muss genauer hinschauen. Denn diese Prozentzahl sagt lediglich, wieviel Kunststoffmüll bei Recylingunternehmen angeliefert wird. Sie sagt aber nichts darüber aus, ob der Kunststoff auch tatsächlich nach unserem Verständnis wieder aufbereitet (stofflich verwertet), verbrannt oder verschifft wird.
In der Verwertung kann Kunststoffmüll zwei Wege gehen. Entweder es wird thermisch verwertet, sprich verbrannt. Oder aber roh- oder werkstofflich verwertet, also recycelt. Laut dem Böll Plastikatlas von 2019 gehen in Deutschland gerade mal 2,8 % der verarbeiteten Kunststoffprodukte den Weg der stofflichen Verwertung. Der Rest wird entweder verbrannt oder exportiert.
Wohin geht unser Müll?
Deutschland ist der größte Exporteur von Plastikabfällen in der EU. Zwar gelten seit Anfang 2021 verschärfte Regelungen zum Müllexport und es darf nur Müll, der im Zielland recycelt werden kann, exportiert werden. Trotzdem boomt der Export weiterhin und entwickelt auch illegale Züge.
Laut statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2020 nach vorläufigen Zahlen insgesamt gut 1 Million Tonnen Kunststoffabfälle in andere Länder exportiert. Zwar gehen die Exporte langsam zurück (2019 exportierten wir 1 091 300 Tonnen), doch immer noch sind wir Spitzenreiter. Und wohin schicken wir unseren Abfall?
Bis 2018 exportierte die EU 85% ihres Plastikmülls nach China. Dann war Schluss, China wollte nicht mehr. Und so verschob sich der legale und illegale Plastikmüllhandel in andere (asiatische) Länder. Laut Interpol nimmt der illegale Handel mit Müll massiv zu. Gleichzeitig verzeichnet der Bericht, dass in Vietnam beispielsweise 88 Prozent des Mülls nicht fachgerecht entsorgt wird. Weitere Beispiele zeigen, wo unser Müll landet:
Malaysia
Hierhin gehen 17% der deutschen Plastikmüllexporte. 2020 exportierte Deutschland etwa 170.000 Tonnen Müll. Hier lagert unser Müll auf offenen Deponien. Untersuchungen 2020 von Greenpeace ergaben Schwermetalle wie Cadmium und Blei im Boden und kontaminiertes Oberflächenwasser.
Türkei
Laut Greenpeace setzten die türkischen Behörden Container mit illegalem Müll fest, der verantwortliche Händler ging Pleite. Deutschland fühlt sich nicht verpflichtet, seinen Müll zurück zu nehmen und die Türkei will ihn nicht haben. Einige Container wurden dann an Drittländer wie Vietnam, Kroatien, USA oder Großbritanien weiter verschifft.
Polen
Auch hier gibt es legale Müllexporte aus Deutschland. 2018 hat Deutschland etwa 40.000 LKW Ladungen Müll (Schrott, Altpapier, Kunststoffabfälle) legal nach Polen exportiert. Gleichzeitig boomt auch der illegale Export. Deutscher Müll landet dann auf einer der vielen illegalen Halden, darunter Müll mit gefährlichen Stoffen. Diese offenen Halden entstehen einfach irgendwo ohne, dass jemand dafür belangt wird und bedrohen Mensch nund Natur. Und auch hier sieht sich Deutschland nicht in Verantwortung.
Recycling und Downcycling
Kommen wir nochmal zurück zu dem recycelten Kunststoff. Man müsste diese Menge halt erhöhen. Schließlich es gibt ja ein Verpackungsgesetz, dass Handel und Hersteller*innen von Kunststoffen in die Verantwortung nimmt. Sie müssen Verpackungsmüll sammeln, trennen und der Wiederverwertung zuführen. Und das passiert durch unseren Gelben Sack/Tonne. Prima Sache. Oder? Da gibt es leider ein Problem. Einerseits taugt nur ein geringer Teil unseres Plastikmülls überhaupt zum recyceln in Form von Rezyklat. Grund sind Verschmutzungen und Kunststoffverbünde, die sich nicht mehr lösen lassen. Andererseits ist ein Recyclingprozess oft ein Downcyclingprozess.
Während des Prozesses werden nämlich die Kunststofffasern kürzer oder Kunststoffmoleküle kleiner. Die Qualität sinkt und es ist eine Beigabe von neuem Kunststoff nötig. Es entstehen also keine gleichwertigen Produkte mehr aus den alten, sondern downgecycelte Produkte. Gerade mal einen Anteil von 11 Prozent hatte Rezyklat bei Verpackungen 2019. Leider gibt es hier keinerlei vorgeschriebene Quote für den Rezyklateinsatz, weswegen Kritiker*innen die allgemeine Recyclingquote auch als irreführend sehen.
Natürlich ist Downcycling immer noch besser als verbrennen und ganz neuen Kunststoff herstellen, aber langfristig auch keine wirkliche Lösung. Wir haben also eine Rankingliste, was besser und was schlechter ist. Aber nichts davon ist ausreichend gut. Jedenfalls nicht bei der Menge Kunststoffmüll, den wir jährlich erzeugen.
Und jetzt?
Wichtig sind daher gesetzliche Maßnahmen, die Hersteller*innen in die Verantwortung nehmen. Aus den Augen, aus dem Sinn kann und darf nicht sein. Zudem muss Kunststoff ein wertvolles Gut werden. Es darf nicht günstiger sein, neuen Kunststoff herzustellen als alten zu recyceln.
Gleichzeitig müssen Endverbraucher*innen versuchen, ihren Kunststoffkonsum zu reduzieren. Dies beginnt schon bei so einfachen Dingen wie Mehrweg- statt Einwegflaschen zu kaufen (Mehrweg ist seit Jahren rückläufig!) oder beim Neukauf zu anderen Materialien statt Kunstoff zu greifen. Im Internet finden sich ganz viele Tipps und Tricks, wie man auf Plastik verzichten kann. Man muss aber bedenken, dass Kunststoff nicht per se Teufelszeug ist und sich leider nicht immer vermeiden lässt. Denn noch setzt die Industrie hauptsächlich darauf und macht es Verbraucher*innen schwer, Alternativen zu nutzen. Allein schon aus finanziellen oder zeitgründen.
Quellen:
Greenpeace Magazin 1.22
Recycling Mythos 2.0, Greenpeace 2020