Der Jahresrückblick auf 2019 und der Ausblick auf 2020 machen mir Bauchweh. Deshalb schließe ich fest beide Augen.
Das Kind soll auf Skifahrt und ich frage mich: Ist Ski fahren mitten in der Klimakrise noch zeitgemäß?
Wenn man so im Netzt stöbert, dann bekommt man beim Thema Veganismus ja eine Menge erzählt. Gesundheitliche Vorteile, geistiges Wachstum, Einssein. Aber auch Siechtum und Tod stehen zur Verfügung. Alles ist möglich. Wer will nochmal, wer hat noch nicht. Jetzt ernähre ich mich seit einem Jahr fast ausschließlich vegan (ein paar vegetarische Gerichte auf meiner Wanderung waren dabei). Und ich dachte, ich gehe mal die Dinge durch, die sich angeblich verändern und die einem als Versprechen bei der Internetrecherche gerne mal vor die Füße fallen, wenn man sich vegan ernährt. Ob das alles so stimmt?
HINWEIS: Dass es sich hier um allein meine Erfahung handelt, sollte klar sein. Ihr dürft da gerne andere gesammelt haben. Das ist genau so toll. Nur, dass nicht jetzt gleich alle „Aber bei mir!“ rufen.
1. Du bekommst auf jeden ein „Vegan-Burn-out Syndrom“.
Stimmt’s? Nein.
„Vegan Burnout Syndrom“, so heißt das wohl, wenn man sich dauernd über Fleischesser aufregt, weil die ihr Verhalten nicht ändern. Tatsächlich ist mir das nicht einmal passiert. Es ist zwar nicht so, dass mir das alles egal wäre. Aber ich weiß, wie emotional Ernährung ist und dass man nicht weiter kommt, wenn man als HB Männchen am Tisch sitzt. Eigentlich finde ich nur die anstrengend, die mir ungefragt ständig „ich kaufe ja nur Bio-Fleisch beim Metzger meines Vertrauens“ Geschichten erzählen, die rein statistisch gar nicht stimmen können. Und ich reg mich über „Ich könnte ja nicht …“ auf. Weil es nie ums können sondern ums wollen geht.
2. Übergewicht sind mit veganer Kost Geschichte.
Stimmt’s? Jein.
Ein Jahr vegan und schwups, ein Body wie im Modelkatalog? Es ist wahr, ich habe am Anfang tatsächlich abgenommen. Aber genau so schnell wieder zu. Weil auch vegane Lebensmittel überaschenderweise Kalorien enthalten, ich nicht nur Salat ohne Dressing esse (ich will ja den Part mit Siechtum und Tod nicht) und weil – Hand aufs Herz – Chips und Schokolade eben verdammt lecker sind. Was ich allerdings festgestellt habe: Mein Gewicht ist stabiler. Das ist ja auch was.
3. The glow. Alabasterhaut dank fleischfreier Kost.
Stimmt’s? Nein.
Jetzt gehöre ich nicht zu denen, die ständig Pickel haben. Aber wenn, dann holla. Gerne so richtig einhornstyle auf der Stirn. Vegan hin, vegan her. Einzig die Talgpickelchen auf den Armen sind viel viel seltener geworden. Find ich super. Aber von traumhafter Haut dank Pflanzenkost zu sprechen, nein. Dazu müsste ich vermutlich extrem viel gesünder und nicht doch ab und an ungesundes Zeug essen.
4. Nie mehr krank dank Pflanzenkost? Bäm, nehmt das Viren!
Stimmt’s? Jein.
Ich bin sicher, eine fleisch- und milchfreie Ernährung ist gesünder für den Menschen als eine fleisch- und milchlastige. Aber immun wird man damit nicht. Auch nicht unsterblich. Ich zum Beispiel bekomme seit Jahren etwa 2 Erkältungen pro Jahr. Mit und ohne tierische Produkte. Aber ich bekomme seit meinem Umstieg keine Aphten mehr im Mund. Eigentlich dachte ich, läge das am Zucker. Aber Zucker esse ich ja derzeit wieder. Für mich ist das super, denn so eine Aphte ist echt kein Spaß. Ansonsten kann ich keine Wirkung feststellen. Gucken wir mal in ein paar Jahren.
5. Fresskoma auf dem Sofa ade!
Stimmt’s? Ja.
Tatsächlich entfällt das typische Fresskoma, dass einen direkt vom Esstisch aufs Sofa buchsiert und am Denken hindert komplett. Natürlich macht ein kalorien- und kohlenhydratereiches Gericht müde. Der Körper hat viel zu tun. Aber im Vergleich zu Mahlzeiten mit ordentlich Fleisch oder Käse ist das gar nichts.
6. Mit veganer Ernährung wird man fit.
Stimmt’s? Nein.
Ich kann noch so viel Gemüse essen, wenn ich nicht trainiere und Sport regelmäßig treibe, dann werde ich nicht fitter. Brokkoli macht keinen Marathon. Dass die Leistungskurve nach oben geht, wenn man sportelt und vegan isst, das glaube ich sofort. Aber das, was ich an Sport mache ist nicht merklich leichter geworden dank Ernährungsumstellung. Da müsste schon mehr passieren. Wäre ich nicht so faul.
7. Sprituelle Bereicherung durch Veganismus.
Stimmt’s? Nein.
Eins sein mit der Welt. Mehr Mitgefühl erleben. Mehr Bewusstsein erlangen. Pustekuchen. Mag sein, dass es Menschen gibt, bei denen das passiert. Bei mir nicht. Für mich gibt es keinen Zusammenhang zwischen meiner Ernährung und dem Bewusstsein für Missstände oder Einssein mit der Welt. Ich fand schon voher die Art unseres Umgangs mit Menschen und Tieren scheiße und finde das heute noch genau so. Eine Erleuchtung habe ich beim Essen nie gehabt.
8. Mehr Auswahl auf dem Speiseplan. Oder: Cosmopolit in Sachen Essen.
Stimmt’s? Ja.
Man muss sich ja schließlich überlegen, was man isst und wie man an seine Nährstoffe kommt. Ich habe jetzt also a) wesentlich mehr Ahnung von Ernährung als vorher und esse b) vielseitiger. Weil nämlich der deutsche Dreiklang (Fleisch, Kohlenhydrate, Gemüsebeilage) gar nicht so vegankompatibel ist. Andere Länderküchen bieten da wesentlich mehr. Ein dreifaches „Hoch“ auf Currys von meiner Seite.
9. I want to make you sweat. Nö, ich bin jetzt vegan.
Stimmt’s? Nein.
Ehrlich. Nein. Nein, nein, nein. Man hört nicht auf zu schwitzen. Auch stinken die Pupse immer noch (nicht mehr ganz so arg) und die Kacke glitzert nicht. Tut mir leid. Ich fänd es ja selbst toll.
10. Es folgen Siechtum und Tod
Stimmt’s? Nein.
Unterversorgung, Eisenmangel, Unfruchtbarkeit. Die Proteine! Tod! „Hast du denn keine Angst vor …“ Man könnte meinen, Veganismus sei gefährlicher als ein Spaziergang über die Autobahn.
Und klar, wer keine Ahnung von gesunder Ernährung hat, der sollte das schnell ändern. Egal, was er alles so isst. Pommes und Schokolade sind vegetarisch und vegan, aber nicht gesund. Ende. Wer also das Schnitzel vom Teller schmeißt und dann den Zweiklang Kartoffel und Mören isst und sonst nix ändert, dem steht ein Mangel wohl ins Haus. Das sollte aber klar sein. Man wird ja trotz Fleisch auch nicht durch McDonalds Burger gesund.
Natürlich sollte man B12 einnehmen. Sollten Oma und Opa aber auch, trotz Schnitzel und Wurst. Will sagen: Es nutzt ernsthaft jeder/jedem, sich mit der eigenen Ernährung auseinander zu setzen. Dann klappts auch mit dem nicht Dahinsiechen. Der Tod kommt trotzdem. Vermutlich aber nicht wegen des Sojagranulats.
Ihr seht schon, ich nehme das alles nicht ganz so ernst. Dieser Beitrag soll eigentlich vor allem eines zeigen: Es geht nicht darum, ob man mit veganer Ernährung nun Erleutet ist oder eine Haut hat wie Alabaster. Es ist schön, wenn man fitter oder gesünder wird. Abnehmen fällt vermutlich etwas leichter. Aber hinter all dem steht eine ausgewogene und gesunde Ernährung, und dass die nicht zwangsläufig zustande kommt, weil man sich vegan ernährt, sollte jedem klar sein. Ich sage nur: Veganes Schokoeis.
Sicher ist: Ein Jahr vegane Ernährung und ich lebe noch. Sogar sehr gut. Die Werte sind gut. (My mother I had me tested) Ich fühle mich weder wie Superwoman noch wie halb tot. Alles ist normal. Wie es halt so ist. Wir müssen eine Ernährungsform nicht glorifizieren um ihre Vorteile aufzuzeigen. Denn es gibt sie natürlich. Rein faktisch. Tierleid, Landraub, Hunger, Klima – alles hängt auch an unserem unstillbaren Hunger nach Fleisch und Milchprodukten. Das sollte uns Anlass genug sein, dieses Drama zu beenden. Nicht weniger Pickel oder spirituelle Erleuchtung. Kann ja zusätzlich gerne dazu kommen.
Foto Credits: Lisa Schneider
2 Comments
Hallo Janine,
schmunzeln musste ich über deine 10 Dinge…. und du hast recht, es ist bei jedem ein bisschen anders….
Obwohl auch bei mir keine „Glitzerkacke“ rauskommt….schade eigentlich 😉.
Ich finde es ist gut, wenn sich das einstellt, wofür man mit der veganen Ernährung angefangen hat. Ob es nun aus Tierschutz- oder Umweltschutzgründen ist, oder wie bei mir zu Beginn, dass ich meine Arthroseschmerzen loswerden wollte. Dies ist mir ( weitestgehend) gelungen durch die Ernährungsumstellung. Ein schöner Nebeneffekt waren bei mir ( dauerhafter) Gewichtsverlust und bessere Haut, aber auch nur, wenn ich viel Zucker meide.
Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg.
Ganz liebe Grüße
Christine
My mother had me tested – haha, sehr geil. Super Text 💚
Ökojule 🤗