Lichtblicke 2022 im Juli. Finnwalgruppe gesichtet. Wieder Calzium in Bio-Pflanzendrinks. Einfache Rückgabe von Altgeräten. Schädel-Rückgabe möglich.
Lichtblicke 2022 im August. Korallenwachstum. Erfolg gegen HIV. Nur Ja heißt Ja. Kleidungskonsum in Deutschland.
Wie ihr wisst, habe ich mir vorgenommen, ein Jahr lang keine Kleidung bzw. auch kein Material um selbst Kleidung herzustellen zu kaufen. Meinen Konsum zu drosseln oder bestenfalls zu stoppen. Seit Oktober 2021 probiere ich mich in Verzicht und Reflexion. Inzwischen dürfte klar sein, dass es weniger um das gar nichts kaufen geht, sondern viel mehr um genaues hinsehen. Denn neben den ganzen Kaufimpulsen gibt es Kleidung, die steht irgendwann einfach an. Die ist sinnvoll und wichtig. Und es gibt dann noch die Kleidung, die lange auf Wunschlisten steht, um die ich herumstreife. Dem Thema Impulskauf und Kaufanreize habe ich mich bereits am Anfang gewidmet. Der Frage: Wann ist eigentlich genug? bin ich noch auf der Spur. Was aber in den gut 10 Monaten immer wieder aufkam ist die Überlegung: Was tun, wenn ein Kauf ansteht?
Ist Second Hand Konsum eine gute Wahl?
Und da kommt unweigerlich die Frage auf, ob Second Hand nicht eine gute Wahl ist. Auf den ersten Blick ganz klar ja. Es gibt weit mehr Kleidung als wir alle tragen können. Eine Greenpeace Umfrage aus dem Jahr 2015 zeigt deutlich: Ca. 40% unseres Kleiderschrankinhalts tragen wir kaum oder selten, diese Zahl ist leider auch weiterhin aktuell. Das Erfreuliche: Sieben Jahre nach dieser Umfrage zeigt sich aber, dass ein Umdenken langsam stattfindet. 45% der Befragten einer aktuellen Greenpeace Umfrage kaufen Kleidung Second Hand Kauf und 49% verkaufen auch selbst ihre Kleidung. Passend dazu sprießen die Second Hand Online Läden aus dem Boden. Denn wie kann man besser Ungetragenes weiter am Leben erhalten als durch weiterverkauf. Vinted, Momox Fashion, Mädchenflohmarkt und sogar Ebay Kleinanzeigen sind wachsende Plattformen und auch Kleidertauschparties erfreuen sich immer mehr Beliebtheit. Sie versprechen beim Thema Konsum ein gutes Gewissen für Verkäufer*in und Käufer*in.
Was sind die Tücken des Second Hand Onlinekaufs?
Für mich ist Second Hand kaufen leider keine ultimative Lösung. Zumindest nicht unter jeder Bedingung. Gerade auf Online Plattformen sieht man mehr und mehr ungetragene Kleidung. Und trifft auf Menschen, die Unmengen verkaufen. Ich kann nur mutmaßen, aber wenn nicht bei ersterem alles Vom Laster gefallen ist, dann riecht es sehr nach Überkonsum. Sprich, man shoppt ohne Ende und spätestens nach der Saison gibt man es weiter und hat wieder Platz im Schrank. Damit unterstütze ich mit meinem Kauf den Überkonsum anderer. Natürlich ist das eine Vermutung, wissen kann ich es nicht. Aber sagen wir es so: Es riecht verdächtig.
Gleichzeitig fehlt jede Gewährleistung ob das Kleidungsstück passt. Ich kaufe also auf gut Glück und habe im besten Fall etwas gebrauchtes passendes gefunden. Im schlechtesten Fall habe ich Geld für eine Schrankleiche ausgegeben. Weil – und das wissen wir ja alle – eine 44 nicht eine 44 ist, sonderen Größen immer Markenabhängig sind. Und wer dann noch ausser der Norm liegt (sehr klein, sehr groß, andere Proportionen …) hat ein noch höheres Risiko sich zu vergreifen.
Das allein ist für mich schon ein Grund, das Thema Onlinekauf kritisch zu sehen. Bei Second Hand Mode entfällt dann aber noch die (durchaus problematische) Rücksendeoption. Und der Aufwand in die nächstgrößere Stadt zu einem Kleiderflohmarkt für Erwachsene zu fahren war mir einfach gemessem am Risiko nichts zu finden zu groß.
Reden wir noch über Armut: Second Hand, Geld und Zeit
Ich möchte ein weiteres Thema ansprechen, dass gerne vernachlässigt wird. Second Hand ist nämlich immer nur cool, wenn man eine Wahl hat. Man es „vintage“ nennen kann. Wenn es meine bewusste Entscheidung ist, ob ich gebrauchte Kleidung trage. Sobald es meine einzige Wahl ist, ist es eben nicht mehr cool und im schlimmsten Fall sogar ein Stigma.
Gleichzeitig muss man für den Kauf von gebrauchter Kleidung für Erwachsene sehr viel Zeit investieren. Die hat nicht jeder Mensch. Und zu erwarten, dass man ja dann das nächstbeste nehmen könnte, ist mindestens Anmaßend. In die Suche, das Finden, den Kontakt … muss Zeit investiert werden. Mehr als in einen Besuch beim Kleidungsgeschäft. Bei gleichzeitig erhöhtem Risiko, dass es am Ende nicht passt. Es gibt viele, die schmerzen in den Sand gesetzte 10€ extrem. Weil dieses Geld dann schlicht fehlt ohne dafür etwas (= Kleidung) bekommen zu haben.
Ob Second Hand gut ist, lässt sich schwer pauschal sagen.
Mit meinen 1,93m und zwischen zwei Kleidergrößen steckend empfinde ich den Konsum von Second Hand Kleidung als schwierig. Und auch die Energie für Kleidertauschparties habe ich nicht. Eben weil die „Kosten-Nutzen-Rechnung“ erfahrungsgemäß einfach nicht aufgeht. Und für viele andere sind es die gleichen oder andere der oben genannten Gründe, warum Second Hand nicht funktioniert.
Was nicht heißt, dass ich Second Hand per se schlecht finde. Es kommt halt drauf an.
Ich habe schon Handtaschen und verschiedene Gegenstände gebraucht gekauft. Sogar eine Jacke. Immer dann, wenn ich mir sehr sicher war, dass es am Ende das richtige ist. Und mit dem Blick auf die Verkäufer*innen. Handelt es sich wirklich um gebrauchte Kleidung oder wird ständig neue Ware verkauft? Wirkt es auf mich wie „einmal Kleiderschrank leeren um Plaz zu machen?“ Dann lasse ich die Finger davon um den Kreislauf von Überkonsum nicht einfach nur anderswo zu unterstützen.
Es gibt auch noch andere Wege Kleidung zu konsumieren.
Inzwischen habe ich für mich festgestellt, dass es wirklich darum gehen muss, etwas zu kaufen, was ich lange und oft tragen kann und werde. Dass ich meine Vorlieben für Stoffe, Schnitte und Farben kennen und entsprechend diese Kleidung wählen muss. Im besten Fall besteht die Kleidung dann aus Naturfasern, ist GOTS zertifiziert und unter fairen Bedingungen produziert. Aber das ist der beste Fall. Die Realität jenseits von bestimmten Geschmäckern und Kleidergrößen sieht leider noch anders aus. Wenn auch nicht mehr ganz so trüb, wie noch vor ein paar Jahren.
Die beste Option lautet sowieso immer „Nicht kaufen“. Die zweitbeste sind dann oben genannte Kriterien. Aber auch ein Kleidungsstück dass lange und oft getragen wird und nicht zur Schrankleiche mutiert kann, wenn nicht alle Optionen erfüllbar sind, gut sein. Wir müssen auch einfach realtistisch sein und erkennen: Da ist viel Luft nach oben und der Markt momentan immer noch nicht ausgelegt auf unkomplizierten Einkauf für alle.
Second Hand kann eine Option sein. Unter Bedingungen. Sie darf nicht zu einem Ersatz für zügellosen Konsum werden, weil es scheinbar weniger problematisch ist, gebrauchte Kleidung im Übermaß zu kaufen.
Vermisst wer die Option des Kleiderleihens?
Kleidung ausleihen, vor allem auch solche Kleidung, die Mensch im Schnitt drei Mal im Leben braucht, ist ein spannendes Thema. Leider auch ein ernüchterndes. Ich habe es probiert und das Internet nach halbwegs unkomplizierten Wegen durchforstet, mir ein Abendkleid zu leihen. Es scheiterte an der Auswahl. Und zwar sowohl für meine Kleidergröße als auch für meinen Geschmack. Auch die digitale Suche nach Geschäften, die in der Großstadt Kleidung verleihen führte ins Nichts. Stimmt nicht, sie führte zum Kostümverleih. Am Ende habe ich es aufgegeben. Ich bin aber immer noch der Meinung, dass die Idee großartig ist und Potenzial hat. Auch wenn ich davon ausgehe, dass dies vor allem für Menschen in den Kleidergrößen 36-40 lukrativ ist. Denn ausleihbare Kleidung muss ja auch vorgehalten werden.
Es ist also alles mal wieder nicht ganz einfach. Das ist aber auch ok so. Einfach ist meiner Erfahrung nach meist ein Zeichen dafür, noch nicht alles durchdacht zu haben. Für mich ist jedenfalls klar, den Konsum von Kleidung auf second hand zu verlegen ist keine Lösung. Zumindest keine alleinige. Es bleibt beim „weniger ist mehr“. Wenn ich mich das nächste Mal zu dem Thema melde, ist das Jahr dann bereits um und ich werde ein Resümee ziehen. Das wird sicher noch mal interessant.