Warum Marie Kondos „Joy“ uns in einem nachhaltigen Leben nicht weiterbringt
Einfach nachhaltiger: Einkaufen im Supermarkt
Nach dem ersten Nachhaltigkeitsbeitrag „Einfach nachhaltiger: Weihnachten feieren“, stelle ich euch heute die in meinen Augen einfachste Art vor, den „zero waste“- bzw. Nachhaltigkeitsgedanken umzusetzten: Die Nutzung von Brotbeuteln statt Papiertüten. Da kann man so einiges einsparen. Wir Deutschen sind nämlich Weltmeister in Brot kaufen und essen: ganze 1.747.000 Tonnen Brot waren es 2017, was eine durchschnittliche Einkaufsmenge von 44,1 kg Brot je Käuferhaushalt macht. (Quelle: Bäckerhandwerk)
Ob da Brötchen, Brezeln und Croissants mit eingerechnet sind, weiß ich nicht. Klingt erstmal nicht so. Aber selbst wenn, es ist auch so eine ganze Menge. Da lohnt es sich doch, mal den Nachhaltigkeitshebel anzusetzen. Denn jedes Brot landet in einer Papiertüte (manche davon sogar mit Plastiksichtfenster!). Und Hand aufs Herz: Benutzt die jemand weiter (außer evtl als Mülltüte) nach dem Verbrauch des Brotes? Ich vermute eher nicht.
Ein Tütenvergleich
Es kommt also eine gute Menge Papier zusammen, wenn man regelmäßig Brote und Sonntagsbrötchen kauft. Nun kann man denken: Papiertüten sind doch kein Problem. Ab in die Papiertonne und zum recyclen und alles ist gut. Leider funktioniert die Rechnung so nicht.
Im Vergleich mit einer Plastiktüte verbraucht die Papiertüte sogar fast doppelt so viel Energie in der Herstellung! Dazu ensteht duch die Behandlung der Zellstofffasern eine viel höhere Belastung von Luft und Wasser durch Stickoxide, Schwefeldioxide und andere Chemikalien. Und weil so eine Papiertüte ein recht kurzes Leben hat (Stichwort: Haltbarkeit), schneidet sie in der Summe oft schlechter ab als die Plastik-Schwester.
Die Antwort ist nun natürlich nicht: Kauft Plastiktüten. Denn diese sind in ihrer Ökobilanz ja auch grauenvoll. Zum einen bestehen sie aus der endlichen Ressource Erdöl, zum anderen können sie zB. in die Ozeane und so in unsere Nahrungskette gelangen. Und die Dauer der Verrottung beträgt 100-500 Jahre. Recycelt werden außerdem nur geringe Mengen des Plastikmülls, da sie oftmals nicht Sortenrein sind und damit nicht mehr wiederverwendet werden können. In Zahlen weltweit: 9% recyclet, 12% verbrannt, der Rest liegt auf Deponien, im Meer oder sonstwo auf der Welt herum. Und Deutschland verbraucht europaweit am meisten Plastik und ist vierter in Sachen Müllxport. (Quelle: Scobel)
Also dann eben Stofftüten. Der gute alte Jutebeutel. Tatsächlich verbraucht – wer ahnt es? – auch die Herstellung von solchen Beuteln Ressourcen. Sogar sehr viele. ABER: Ab ca 25-30 Nutzungen ist eine Baumwolltasche ökologischer als mehrfach verwendete Einweg-Plastiktüten.
(Quelle Tütenvergleich: Bayrischer Rundfunk)
Wenn man also Stoffbeutel regelmäßig wieder und wieder benutzt, dann hat man am Ende die beste Ökobilanz herausgeholt. Und für mich war die Mitnahme eines Beutels zum Brot kaufen der einfachste und unkomplizierteste Schritt in Sachen Müllvermeidung bisher.
Kann ich da jeden Beutel hernehmen?
Theoretisch würde ich sagen: Ja. Vorausgesetzt, er besteht aus Baumwolle oder Leinen. Denn nur dann kommt an das Brot Luft. Außerdem kann Baumwolle im Zweifel heiß gewaschen werden, so wegen Bakterien und Verschmutzung. Ungebleichte und ungefärbte Stoffbeutel aus dem heimischen Fundus sind also generell schon geeignet um Brot und Brötchen kurz zu transportieren.
Allerdings sind sie nicht verschließbar. Da ich zB. mein Brot auch in den Beuteln einfriere und in Rucksäcken transportiere, war mir eine Verschlussmöglichkeit wichtig. Ein weiterer Punkt ist, dass je nachdem, woher die normalen Stoffbeutel stammen sie möglicherweise außerdem mit chemischen Mitteln behandelt worden sind. Das waren für mich beides Gründe, langfristig lieber in gute (= bio, fair) Beutel zu investieren. Kaufen kann man solche Beutel z. B. in Unverpacktläden, Bioläden oder online.
Natürlich kann man sich auch welche selber nähen. Beispielsweise aus alten Bettlaken. Eine Anleitung zum Nähen findet ihr zB. bei Grünes Einhorn oder WINDUMDIENASE. Da ich das für mich passende Material (ungebleicht, GOTS zertifiziert) nicht daheim hatte, habe ich mich für den Kauf fertiger Beutel entschieden. Und die 30-malige Nutzung habe ich inzwischen schon doppelt und dreifach wieder raus, denn wir essen echt viel Brot.
Hindernisse
Überwindet man seine anfängliche Angst zu sagen, dass man einen eigenen Beutel dabei hat, dann gibt es aus meiner Erfahrung eigentlich nur zwei Hindernisse:
1. Man kauft sein Brot im Supermarkt aus dem Backautomaten oder der Frische-Auslage. Dann wird es eher schwer bis unmöglich, eine eigene Tüte zu verwenden. Probieren kann man es allemal. Oder eben wieder zum richtigen Bäcker gehen. Da bin ich auch sehr eigen: Lecker und gut ist für mich Brot nur, wenn es selbstgemacht ist oder vom Fachmann/frau kommt.
2. Es soll Bäckergeschäfte geben, da weigert sich das Personal, das Brot in mitgebrachte Beutel zu füllen. Allerdings habe ich vor Ort in drei Bäckerreien getestet und alle haben mitgemacht. Oft kannten sie das eh schon, weil viele ältere Kunden immer ihren eigenen Beutel über den Tresen reichen. Nur beim Thema „süße Teilchen“ in den Beutel statt in Folie wickeln hatte eine Verkäuferin Probleme, aber etwas Nachdruck schadete nichts und führte zum Erfolg.
Zum Abschluss möchte ich noch eine positive Begegnung teilen:
Bei unserem Bäcker war eines Tages eine neue Verkäuferin und ich wusste nicht, wie sie auf meine Bitte alles in meinen mitgebrachten Beutel zu legen, reagieren würde. Ich hatte inzwischen aber schon so oft auf diese Art eingekauft, dass es mir keine Angst machte, ich hatte nur ein bisschen Vorbehalte. Als ich sie auf meinen Beutel hinwies, lächelte sie breit und bedankte sich bei mir für meinen bewussten Einkauf. Wir würden alle so viel Müll machen, das muss doch nicht sein. Wir kamen ins Gespräch, redeten über Müll im Meer und über Wasserreinigung statt Toilettenpapier, was in ihrem famliliären Herkunftsland üblich ist.
Oft glaubt man nicht, wie weit die Idee der Nachhaltigkeit und des Müll vermeidens schon in der Gesellschaft verbreitet ist. Nur Mut also.
6 Comments
Also ich habe schon öfters bei Brötchen oder Brezeln aus dem Supermarkt meine Beutel genommen. Hat nie jemand was gesagt 🙂 aber insgesamt kaufe ich sie sowieso lieber beim Bioladen an der Backtheke. Dennoch, einfach mal trauen!
Und Danke dir für die Recherche und diese hilfreiche Reihe. Find ich prima
Das sind dann diese Brötchen, die man aus einem Fach selbst eintütet, oder? Find ich super, dass das geht.
Danke für dein Lob. Ich freu mich selbst schon so auf alle Themen, weil sie wirklich gut umsetzbar sind. Und eben leicht. 🙂
LG Janine
Liebe Janine!
Es hat mich zuerst auch etwas Überwindung gekostet zu sagen, ich habe hier meinen eigenen Beutel dabei. Aber bisher habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht und alle haben die Brötchen hinein getan 🙂
Für meine Markteinkäufe habe ich auch verschiedene Stoffbeutel und die Verkäufer haben sich schon so daran gewöhnt, als ich sie einmal vergessen hatte, fragte die Verkäuferin, wo denn mein Beutel ist.
Für dieses Jahr habe ich mir vorgenommen zu sämtlichen Geburtstagen von Freunden Brotbeutel zu verschenken. Umso mehr das machen, desto besser 😉
Liebe Grüße
Lilly
Liebe Lilly
das finde ich eine tolle Idee. Wirklich.
LG Janine
Hallo!
Bei uns im Dorfladen ist es mittlerweile Gang und Gebe, seinen Beutel mitzubringen. Eigentlich nutzt für Brötchen und Brot kaum noch jemand die Papiertüten; hat man seinen Jutebeutel mal vergessen kann man auch eben einen günstig erwerben -nur mit kleinem Logo, ansonsten aber naturbelassen.
Bei uns ist die Bäckerei auch direkt daneben, ein kleiner Familienbetrieb, der tatsächlich noch alles selber macht.
Die nächst größere Stadt ist dafür aber auch gut 60 Autominuten entfernt…
Ganz liebe Grüße
Oh wie toll, dass es bei euch so üblich und normal geworden ist, seine eigenen Beutel mitzubringen. So soll es überall werden. Weg von dieser normalisierten Müllerzeugung hin zu normalem Beuteleinkauf. Super!
Liebe Grüße
Janine