Linkshändig stricken ist eigentlich auch nicht viel schwerer als mit rechts. Aber weil alle, die mit links stricken wollen kaum Lehrmaterial haben, Anleitungen grundsätzlich für rechtshändig Strickende geschrieben werden und auch die meisten Lehrenden rechthändig stricken, ist es halt am Ende doch nicht so leicht. Gerade am Anfang tut man sich schwer. Denn wenn einem schon zu Beginn ein Vorbild fehlt, dann ist es gleich noch mal ein bisschen komplizierter.

Schon 2018 habe ich das erste Mal übers linkshändig stricken geschrieben. Inzwischen habe ich den Beitrag ins Archiv gepackt, weil er für mich nicht mehr ganz stimmt und vielleicht mehr Verwirrung als Erkenntnis bringt. Denn damals hatte ich selbst erst einige Fehler und Stolpersteine in meiner Art zu stricken erkannt. Jetzt, vier Jahre später, bin ich um einiges klüger uns möchte mein Wissen ums linkshändig stricken mit euch teilen.

Die Grundlagen gelten für alle – Strickhaltung und Strickmethode

Ich stricke linkshändig western continental. Das ist wichtig für euch zu wissen, damit ihr wisst, ob meine Anmerkungen für euch passen. Seid ihr ein bisschen verwirrt? Keine Sorge, das war ich auch am Anfang. Daher beginnen wir mal mit ein paar Grundbegriffen, denn in manchen Videos v.a. im englischsprachigen Raum werden Strickmethode und -haltung sehr oft benannt. Und das ist gut so. Man muss nämlich wissen: Es gibt mehr als eine Art und Weise zu stricken. Weltweit stricken Menschen seit Jahrhunderten und sie alle tun es nicht gleich. Es gibt unterschiedliche Strickhaltungen und Strickmethoden. Vermutlich auch mehr, als wir kennen. Damit wir Videoanleitungen zu bestimmten Maschenarten folgen können, ist es also sinnvoll zu wissen, wie unser Gegenüber strickt.

Wie gesagt, ich stricke nach der „western“ Methode. Daneben gibt es aber auch „eastern“ und „combined“ Methode. Diese drei Methoden bezeichnen die Art, wie man strickt. „Western“ heißt, ich stricke meine Maschen durch das vordere Maschenglied ab. Neben der Strickmethode gibt es auch noch die Strickhaltung. Hier geht es um die Frage: Wie halte ich das Garn und die Nadeln? Die bekanntesten Haltungen sind: „throwing/english“ – das Garn liegt auf der dominanten Hand, dort wo auch die Arbeitsnadel ist. Beim linkshändig stricken also auf der linken Hand. Und „picking/continental“– hier liegt das Garn auf der undominanten Hand, also rechts.

Zusammengefasst: Meine Art und Weise zu stricken ist alle Maschen durchs vordere Maschenglied abzustricken (western) und mein Garn mit der rechten, nicht arbeitenden Seite zu halten (continental).

Strickanleitungen werden für rechtshändig Strickende geschrieben

Wer versucht, Anleitungen jeglicher Art auf die andere Hand umzulesen, der bekommt oft Kopfweh. Weil es wirklich schwierig ist, unbekanntes umzudenken. Leider sind so gut wie alle Anleitungen für rechtshändig Strickende geschrieben. Auch die schematischen Strickschriften werden in Strickrichtung rechts nach links abgebildet. Wir müssen also umdenken.

Anfangs ist das wirklich komplizierter, aber sobald man mehr Maschenarten kennt und weiß, was grundsätzlich im Strickmuster passieren soll, wird es einfacher. Eigentlich gibt es vor allem eine Grundregel: Vertausch die richtungsbezogenen Ansagen. Die „linke Nadel“ ist unsere „rechte Nadel“. Maschen, die „rechtsgerichtet“ sein sollen, stricken wir „linksgerichtet“. Zöpfe die nach vorne gelegt werden, werden bei uns nach hinten gelegt. Und anders herum.

Eine Buchempfehlung für Anfänger*innen

Am Schluss möchte ich euch noch ein paar Buchempfehlungen mitgeben. Es gibt nicht sehr viel auf dem Markt, was uns hilft. Oft genug werden linkshändig Strickende nicht einmal erwähnt in den Grundlagenbüchern. Das finde ich das eigentlich traurige. Strickbücher ausschließlich für linkshändig Strickende gibt es meines Wissens keine. Eine Marktlücke. Im (sonst wirklich tollen) Buch „Vogue Knitting“ finden sich zwei Doppelseiten zu linkshändig stricken und der continental/english Strickhaltung. Vier Seiten von über 300! Und eben auf englisch. So toll das Buch ist, es taugt nichts, wenn man linkshändig stricken lernen will.

Im deutschsprachigen Raum gibt es einen Lichtblick. Das Buch „Stricken basics“ von Stephanie van der Linden enthält einen Kurs zum linkshändig stricken! Und zwar im Buch sowie auf CD. Im Buch wird linkhändiges Stricken immer wieder erwähnt und sich bemüht, auf die Besonderheiten einzugehen. Zwar lässt das Bildmaterial für die Grundlagen dann doch zu Wünschen übrig – ein kleines Bild für linkshändiges und eine ganze Ablaufbildreihe für rechthändiges Stricken – aber die CD ist unschlagbar. Dort gibt es den Video-Grundlagenkurs für linkshändig Strickende. Nicht nebenbei und mitgemeint. Sondern ganz und gar von einer western, continantal linkhändig Strickenden. Anschlag, rechte und linke Maschen, Zunahmen, Abnahmen, Abketten, Zöpfe stricken … Alles, was Anfänder*innen brauchen, wird dort gezeigt. Und damit ist es für mich das beste (und einzige) mir bekannte taugliche Buch für linkshändig strickende Menschen.

Im Internet werdet ihr ebenfalls fündig

Es gibt im Internet so viele Videoanleitungen zum stricken. Aber auch hier: Alles für die rechte Hand. Ein paar mir bekannte Ausnahmen gibt es dennoch. Im deutschsprachigen Raum hat Elizzza einige Tutorials zum linkshändig stricken auf YouTube gestellt.

Im englischsprachigen Raum gibt es viele Blogs und Webseiten extra zum Thema linkhändig stricken. Hier muss man darauf achten, nach welcher Strickmethode und -art sie stricken. Bei Jeni Brown gibt es ein paar Anleitungen für die combined Methode. Karen Lynn von „The lefthanded Knitter“ strickt eigentlich eastern, aber manches lässt sich bei ihr dennoch abgucken. Vor allem ihren Text zu Strickanleitungen fand ich sehr hilfreich. Auf YouTube findet ihr ausserdem Bill Souza. Er zeigt sowohl die continentale als auch die englische Strickhaltung in seinen Videos.

Für mich waren die Videos Offenbahrungen, weil ich vorher noch nie (!) ein Video gesehen habe, in dem ich mich und meine Technik wiedererkannt habe. Man darf wirklich nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, etwas 1:1 abgucken zu können statt erstmal ums Eck zu denken. Denn natürlich kann ich mir auch Videos von rechtshändig Strickenden anschauen und versuchen umzudenken, aber es ist einfach nicht das gleiche.

Repräsentation ist wichtig und ich möchte dazu beitragen.

Es ist wichtig, dass allen, die linkshändig stricken wollen, Informationen zur Verfügung stehen. Dass ihnen nicht, weil es „leichter“ ist, zum Umsteigen auf rechtshändiges stricken geraten wird. Und dass sie Anleitungsvideos sehen, in denen jemand strickt wie sie. Deshalb plane ich jetzt ernsthaft kurze How To Videos zu drehen. Ich habe das eigentlich schon länger vor, nur ist die Umsetzung eben nicht mal eben zwischendurch getan. Daher wurde bislang nie etwas daraus. Das soll sich jetzt ändern. Weil es mich zunehmend ärgert. Veröffentlichen will ich die Videos auf Instagram und hier auf meiner Webseite. Und ich hoffe, sie helfen ein wenig.