Unseren Umgang mit dem Klimawandel verstehen lernen: Klima-Kommunikationsexperte George Marshall und warum Eisbären in der Klimaschutzdebatte in die Irre führen.
Unseren Umgang mit dem Klimawandel verstehen lernen: Das sagt die Verhaltenspsychologie über unsere Verteidigungsmechanismen.
Nach dem Erscheinen des Teilberichts des IPCC habe ich mich auf die Reise gemacht, um unseren Umgang mit dem Klimawandel zu verstehen. Ich habe mich gefragt, wie es kommt, dass wir so viel wissen und dennoch anders handeln. Geroge Marshall sprach von der großen Stille der Krise und davon, dass wir neue Narrative, also Erzählungen, brauchen um den Herausforderungen wie Wegschieben und Ignorieren zu begegnen. Mehr dazu könnt ihr im ersten Teil „Unseren Umgang mit dem Klimawandel verstehen“ lesen. Einen anderen, dazu aber passenden Blick hat Gerhard Reese. Er ist Umweltpsychologe und Leiter des Studiengangs Mensch und Umwelt: Psychologie, Kommunikation, Ökonomie an der Universität Koblenz-Landau.
Im Tagesspiegel (24.1.2019) wird er zitiert mit folgendem Satz: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele Automatismen in unserem Verhalten geprägt sind durch unsere ökonomische Konditionierung. Wir unterschätzen, dass unser Bewusstsein stark geprägt ist durch die Ausrichtung auf Konsum, Wachstum, Leistung.“ Wir haben also ein erlerntes Verhalten das dem Handeln gegen den Klimawandel entgegen steht. Wachstum und Konsum sind als etwas gutes und glücklich machendes in uns verankert. Auch in der Politik gilt wirtschaftliches Wachstum als Garant für Wohlstand. Selbst in den Reihen derjenigen, die den Klimawandel als konkretes Problem verstehen, herrscht zu Weilen die Idee einer Wirtschaft, die „einfach nur“ grün gemacht werden muss.
Wertewandel und Wandel im Kolletiv
Für Reese ist klar, dass wir einen Wertewandel brauchen. Im Interview in der ze.tt (7.6.2019) spricht er außerdem die Frage der Selbstwirksamkeit an. Wie kann ich das Gefühl bekommen, dass mein Handeln etwas bewegt? Dies geht für ihn über die Stärkung des kollektiven Handelns. Als Gruppe bewegt man mehr, man sieht Erfolge und es gibt einem ein größeres Gefühl von Selbstwirksamkeit als allein daheim gegen die gelernten Automatismen anzuarbeiten. Außerdem sieht er, genau wie Geroge Marshall, die sozialen Normen als Triebfeder um ins Handeln zu kommen. Die Reaktionen durch unser Umfeld kann uns bestärken oder ausbremsen in unserem Wunsch, dem Klimawandel entgegen zu wirken.
Und genau wie Marshall sieht auch Reese, dass wir Menschen uns gerne ein bisschen selbst beschummeln. Wir geben uns eine Art ökologisches Konto, wiegen zum Beispiel jahrelange vegane Ernährung mit einem Flug nach Bali auf und glauben, dass das schon ausgeht. Damit wir aus dem Problem von Konditionierung und Fehlentscheidungen heraus kommen, brauchen wir seiner Ansicht nach Alternativen. Und die müssen politisch unterstützt und sichtbar gemacht werden. Sie muss Möglichkeiten und Alternativen schaffen.
Für alle, die lieber hören als lesen habe ich sogar ein Youtube Video gefunden, dass alles gut zusammenfasst:
Bei mir bleibt noch immer die Frage offen, wie wir einen Wertewandel vollziehen können. Die Zeit, auf einen Wertewandel durch Generationswechsel zu vollziehen haben wir schlicht nicht. Und auch die von Reese erwähnte Transformation durch ein neues Umfeld kann sich – je nach eigener Überzeugung und Norm – ja immer wieder verändern. Wie kommen wir also weg von dem Erlernten? Ich bin ganz bei ihm, wenn er sagt, dass politisch Alternativen gezeigt und angeboten werden müssen. Wenn wir günstig und bequem mit dem Zug von München nach Barcelona kommen, dann ist das eine wirkliche Alternative zum Flugzeug. Schaffen wir diese Alternativen nicht, bezweifliche ich ein bisschen die Durchsetzungskraft des Kollektivs. Denn ja, „Flugscham“ gibt es, dennoch wird geflogen.
Und es braucht viele Menschen, die beginnen. Wenn Mensch auf die Gruppe reagiert, muss es Menschen in dieser Gruppe geben, die den Weg schon gehen. Wir brauchen also Leute, die aus dem „Was kann ich schon tun?“ ausbrechen, bevor sie selbst die Chance einer prägenden Gruppe haben. Oder aber sie müssen als Multiplikatoren in vielen Gruppen unterwegs sein. Wie kommt man aber von dem „Warum sollte ich anfangen, die anderen tun es ja auch nicht.“ raus?