Lichtblicke 2022 im September. Benin-Bronzen. Badekappen für Afrohaare. Patagonias neuer Weg. Klima-Schadensersatz.
Guten Gewissens Süßigkeiten naschen zur Advents- und Weihnachtszeit dank Fairem Handel
Wie schnell kann ein Jahr vergehen bitte? Aber es ist so – ein Jahr #IchKaufNix ist um und so irreführend inzwischen der Hashtag ist, ich behalte ihn einfach bei. Auch weil „ich kauf wohl nix und nur was ich brauch und reflektiere“ ein richtig mieser Hashtag ist.
Inzwischen sollte euch allen, die ihr hier lest, klar sein, dass es weniger ums nichts kaufen geht als ums reflektieren. Ja, es geht auch um weniger Konsum. Darum Dinge lieber drei mal umzudrehen bevor ich sie kaufe. Lieber liegen lassen und erstmal nachdenken. Das habe ich ein Jahr lang mehr und weniger gut gemacht und nun ist Zeit, ein Resümee zu ziehen.
Wie ist das Jahr verlaufen?
Ihr konntet es ja in Etappen mitverfolgen, welche Gedanken ich mir gemacht habe. Am Anfang stand wirklich folgender Entschluss:
Ich mache ein #kaufnix Jahr für Kleidung, Stoffe und Wolle. Es gibt nichts neues mehr. Fertig. Ich kann noch verarbeiten, was ich hier und heute habe (ach die geplante Bluse, ach die gestrickte Jacke …) aber es wird nichts mehr ins Haus geschleppt. Kein Sale, kein einmaliges Angebot, kein ach wie schön, wollt ich schon *immer* haben. Nein.
Ein hehres Ziel und eines, dass sich nach und nach etwas relativierte. Denn ich lebe wie wir alle in einer konsumorientierten Gesellschaft und das macht alles sehr schwer. Es gibt unglaublich viele Reize und Kaufanregungen. Mode ist etwas so starkes, dass man sich Schnitten, Trends und Farben schwer entziehen kann. Wir alle unterliegen immer mal wieder – und sicher unterschiedlich stark – dem Wunsch des Habenwollens. Ein erster Schritt dahin war zu erkennen, wann dieser Impuls gekickt wird und wann ich besonders kopflos konsumiere.
Nach fast einem halben Jahr standen dann die ersten Käufe an und es stellte sich heraus, dass man schnell in ein Dilemma geraten kann, wenn man die Thematik nicht entspannt angeht. Ich musste also überlegen, wie ich mit Konsum generell umgehen will. Und da schloss sich die Überlegung zu Second Hand Mode an. Ein schwieriges Thema. Weil eben nicht die eierlegende Wollmilchsau, sondern ein tricky Ding mit Tendenz zu Klassismus.
Und jetzt ist das Jahr um. Zack.
Ich würde lügen, täte ich behaupten ich hätte nichts gekauft, was unnötig ist. Es gab Dinge, die tatsächlich wichtig waren. Radkleidung, Socken und Unterhosen, eine neue Jeans und Schuhe. Aber auch Dinge, die ich nicht brauchte wie noch eine Hose und Wolle zum Stricken. Und dann noch Kleider, die ich wirklich wirklich gerne haben wollte und die ein Glücksgriff waren in einem Urlaub.
Ganz schön viel für #IchKaufNix. Ich weiß. Ich ärgere mich auch etwas über ein paar Käufe, die ich hätte auch lassen können. Liebe die Dinge aber nach wie vor und trage sie dauernd. Aber ich muss sagen, nach einem 3/4 Jahr schlich sich langsam auch wieder ein Rückfall in alte Gewohnheiten ein.
Was hat es mir also gebracht?
Natürlich kein Erfolgserlebnis wie sie gerne erzählt werden, von Menschen die wirklich nichts kaufen und dann super glücklich damit sind. Mir hat das Jahr eher Erkenntnis gebracht. Ich weiß jetzt genauer, wo meine Schwächen liegen, welche Verlockungen ich besser umschiffen sollte und worauf ich mehr achten will.
Für mich ist es wichtig zu sehen, wo kompensiere ich etwas mit meinem Konsum und wo ist es eine gute Wahl? Dass am Ende immer noch Konsum steht ist leider wahr und eine weitere Reduktion ist sicher angebracht. Deswegen möchte ich so viel wie möglich offline kaufen. Weil der Gang zum Geschäft und das Suchen so viel Arbeit ist, dass ich es nur für nötige Dinge tun werde.
Ich möchte auch weiter aufmerksam sein bei plötzlichem Kaufimpuls aufgrund von emotionalem Ungleichgewicht. Konsum ist bei mir, wie bei vielen, auch eine Form von Trost und Belohnung. Statt das richtige Problem anzugehen, kaufen wir uns glücklich. Zumindest sehr kurzfristig. Darauf will ich ein starkes Augenmerk legen.
Ich habe viel gelernt in diesem Jahr. Auch, dass es nicht der krasse Bruch sein muss um etwas über das eigene Verhalten heraus zu finden. Ich konnte lernen, was mir wirklich wichtig ist, welche Kleidung sich ernsthaft bewährt und was nur einem kurzen Frustabbau dient. Ich habe aber auch gelernt, dass mir Stricken als Stressabbau und kreative Auszeit wichtig ist und ich darauf nicht verzichten mag. Da sehe ich durchaus ein Problem, aber gleichzeitig überwiegt momentan das emotionale Gefühl von Glück im Prozess.
2 Comments
Und wie schnell ein Jahr vorbei gehen kann.
Gefühlt hast du erst vor ein paar Monaten mit dem Projekt #ichkaufnix angefangen. Und es sind wertvolle Erkenntnisse die du da sammeln konntest.
Ich habe auch ein besonderes Augenmerk auf die emotionalen Käufe gelegt, da ich kaufsüchtig war (oder bin – bei Süchten ist das immer so eine Sache mit dem „war“) und in die Privatinsolvenz gerauscht bin. Da geht’s ja wirklich nur darum den nächsten Kick zu bekommen und sich ein Stück Glücksgefühl zu kaufen. Und es wird einem auch nicht unbedingt schwer gemacht von der ganzen Konsumindustrie nebst Banken, was meine Eigenverantwortung hier aber nicht schmälern soll. Was das Thema Kaufen angeht, werde ich immer auf der Hut sein und die Selbstkontrolle aufrecht erhalten müssen, trotz Therapie.
Denn emotionale Tiefs wird es vermutlich immer geben bei schwierigen Lebenswegen.
Ich finde es klasse, dass du dieses Experiment gemacht hast und wünsche dir einen klaren Blick und ein lächelndes Herz. Liebe Grüße Tanja/frlmimmy
Liebe Tanja,
wow vielen Dank für deinen so offenen Kommentar. Es ist schon erstaunlich, wie schnell wir in so einen Kreislauf aus Belohnen – Schlecht Fühlen – neu Belohnen gelangen können und wie gefährlich das dann auch werden kann. Du kannst da wirklich stolz auf dich sein, einen Weg hinaus gefunden zu haben. Das ist ganz groß!
Fühl dich herzlich gegrüßt.
Janine